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Frauen, die Geschichte machten

Titel: Frauen, die Geschichte machten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reinhard Barth
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vorwiegend der Vermittlung von nationalökonomischen Kenntnissen. Ihr
     Pensum war enorm. Ihre knapp anderthalb Jahrzehnte |227| ältere Genossin Clara Zetkin sagte darüber: »Wenn Rosa unter einer Überanstrengung zusammenzubrechen drohte, so ›erholte‹
     sie sich bei einer noch größeren Leistung. Bei Arbeit und Kampf wuchsen ihr Flügel.«
    Aber auch die Anerkennung und der Erfolg schienen sie zu beflügeln. Ihre Schüler, darunter der spätere DDR-Präsident Wilhelm
     Pieck, ließen sich, wie sich eine Teilnehmerin erinnerte, von ihrer Begeisterung für den Stoff anstecken und fühlten sich
     ernst genommen: »Wie sie uns zur eigenen Auseinandersetzung, zur Selbstverständigung mit den nationalökonomischen Fragen zwang?
     Durch Fragen, durch immer erneutes Fragen und Forschen holte sie aus der Klasse heraus, was nur an Erkenntnis über das, was
     es festzustellen galt, in ihr steckte. Durch Fragen beklopfte sie die Antwort und ließ uns selbst hören, wo und wie sehr es
     hohl klang,… durch Fragen zwang sie über die Erkenntnis des eigenen Irrtums hin zum eigenen Finden einer hieb- und stichfesten
     Lösung. Sie entließ uns schließlich mit der Mahnung, nichts ohne Nachprüfung anzunehmen, alles immer erneut nachzuprüfen:
     ›Mit allen Problemen Fangball spielen, das ist’s, was sein muss.‹«
    Das tat sie natürlich ebenso selbst und machte auch vor Marx und Engels nicht halt. In einer Auseinandersetzung vor allem
     mit den Lehren aus dem zweiten Band des »Kapitals« von Marx fand sie nicht nur zu einer modernen Interpretation, sondern kam
     auch zu manchem anderen Ergebnis. Ihre 1912 erschienene diesbezügliche Schrift »Die Akkumulation des Kapitals« stieß daher
     auf allerlei Kritik bei den Dogmatikern. Beirren ließ sie sich dadurch nicht und arbeitete in späteren Ausgaben noch deutlicher
     heraus, was sie gegen den leninistischen Zentralismus und gegen die Dogmatisierung der sozialistischen Lehre hatte: »Marxismus
     ist nicht ein Dutzend Personen, die einander das Recht der ›Sachverständigkeit‹ ausstellen und vor denen die Masse der gläubigen
     Moslims in blindem Vertrauen zu ersterben hat. Marxismus ist eine revolutionäre Weltanschauung, die stets nach neuen Erkenntnissen
     ringen muss, die nichts so verabscheut wie das Erstarren in einmal gültigen Formen, die am besten im geistigen Waffengeklirr
     der Selbstkritik und im geschichtlichen Blitz und Donner ihre lebendige Kraft bewährt.«
    Nationalismus hatte in dieser Weltanschauung keinen Platz, jedenfalls für Rosa Luxemburg nicht. Sie betonte in ihren vielen
     Reden vor Kriegsausbruch unermüdlich ihren internationalistischen Standpunkt, der sie in der SPD allerdings zunehmend isolierte,
     vor allem nachdem Bebel im August 1913 gestorben war. Was Rosa nur einen Monat später in Frankfurt auf einer Kundgebung ausrief,
     hätte zu diesem Zeitpunkt nur noch eine Minderheit der Genossen unterschrieben: »Wenn uns zugemutet wird, die Mordwaffe gegen
     unsere französischen und anderen ausländischen Brüder zu erheben, so erklären wir: Nein, das tun wir nicht!«
    Dem Vorwurf, sie seien »vaterlandslose Gesellen«, wollten die Genossen mit |228| allen Mitteln entgehen. Und die Staatsmacht fühlte sich derart provoziert, dass sie die Rednerin vor den Kadi zerrte. So sehr
     fürchtete man ihre suggestive Überzeugungskraft. Von der Rednerin Rosa sagte ein Mitstreiter später: »Sparsam in großen Worten
     und Gesten, wirkte sie allein durch den Inhalt ihrer Reden, und nur die silberhelle, volltönende melodische Stimme, die ohne
     Anstrengung einen großen Saal füllte, kam ihr zur Hilfe. Sie sprach stets frei. Am liebsten ging sie beim Reden lässig auf
     der Tribüne auf und ab, weil sie sich so dem Hörer näher fühlte. Nach wenigen Sätzen hatte sie mit den Menschen Kontakt und
     nahm sie dann ganz in den Bann.«
    Im Februar 1914 wurde Rosa Luxemburg wegen ihrer antimilitärischen Agitation zu einem Jahr Gefängnis verurteilt, was sie als
     »Lappalie« abtat, ahnte sie doch nicht, dass die Haft schließlich mehr als dreimal so lange dauern sollte. Wegen eines dann
     doch verworfenen Antrags auf Revision erlebte sie zwar noch den Kriegsausbruch in Freiheit und auch die als beinahe noch schmerzlicher
     empfundene Zustimmung der Abgeordneten ihrer Partei im Reichstag zu den Kriegskrediten am 4. August 1914. Doch im Februar
     1915 schlossen sich die Gefängnistore hinter ihr und sollten sich bis Kriegsende 1918 nur noch einmal im

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