Frauen fragen Feuerstein
Würde und innerer Ruhe, leider auch mit deutlichen Spuren der Verwahrlosung. Bestimmt würde man hier ohne Führer mehr entdecken, als wenn einem ein solcher an der Pelle klebt und fortwährend Zahlen und Namen ohne erkennbaren Zusammenhang murmelt.
Unübersehbar im Zentrum, richtig protzig in einer eher bescheidenen Umgebung, steht der Königspalast, heute ein Museum. Besonders neugierig war ich auf die Privatgemächer, die das Königspaar nach der sozialistischen Revolution im Jahre 1975 abrupt verlassen musste — die beiden wurden bis zu ihrem Tod an einen geheimen Ort im Dschungel verbannt. Eine offizielle Stellungnahme der Regierung über das Wann und Wo gibt es bis heute nicht, doch warten angeblich ein paar Nachkommen des Königshauses im Ausland auf die Gunst der Stunde, In Afghanistan hatte sich das Warten ja auch gelohnt...
Meine Neugier blieb unbefriedigt. »Wegen Gartenarbeiten geschlossen«, besagte ein Schild am Museumseingang, und tatsächlich harkten vier Frauen Unkraut aus dem Kies, was sämtliche Museumsbeamten zum Anlass genommen hatten, sich einen freien Tag zu gönnen. Auch mein Führer war ratlos und ergoss sich für den Rest seiner Dienstzeit in Entschuldigungsphrasen. »Macht nichts«, sagte ich und lächelte, wie es sich in Südostasien gehört, damit der andere nicht das Gesicht verliert, Aber sauer war ich schon.
Meinen Abschied von Luang Prabang nahm ich am Abend in dem kleinen Theater, direkt neben dem Königspalast, Dort gibt es dreimal in der Woche klassisches laotisches Ballett, und die Einladung dazu hatte ich auf der Straße erhalten, von den Tänzern selbst, die auf einem Tuk-Tuk in Schminke und Kostüm durch die Gegend fahren und Handzettel verteilen — eine interessante Anregung für deutsche Intendanten mit reduziertem Kulturbudget.
Gezeigt wurde das Hauptwerk von Birma bis Bali, »Die Entführung der schönen Sita durch den bösen Riesenkönig«. Die fotofreundliche Kurzform davon kennt jeder Tourist vom Buffetabend am Swimmingpool des Urlaubshotels, eine Art Rache der Dritten Welt für Watschentanz und Schuhplattler, wie wir sie zu Hause als deutsches Kulturgut den Ausländern schenken. Hier aber, auf der schlichten Bühne am Ufer des Mekong, mit roten und schwarzen Vorhängen als Kulisse und der sanften Musik aus pentatonischen Schlaginstrumenten und der einheimischen Version der Oboe mit ihren Vierteltonverzierungen, spürte ich wieder einmal, dass ich doch so was Ähnliches wie ein Herz besitze, das aufgehen kann. Hier wird die Sita-Saga noch in voller Länge gezeigt, auf drei Abende verteilt, in prächtigen Masken und Kostümen, mit tänzerischer Sorgfalt in allen Details. An diesem Abend war der zweite Teil an der Reihe, wo es schlimm zugeht, mit Betrug, Gewalt und Zauberei. Aber da ich zum Glück wusste, dass im dritten Teil alles wieder gut wird, musste ich mich nicht allzu sehr aufregen.
Anrührend auch das Umfeld. Vor Beginn des Tanzes hatten sich die Lehrer auf der Bühne zum gemeinsamen Gebet für das Wohl der Gäste versammelt, gefolgt von der Baci -Zeremonie, einem uralten, animistischen Brauch zur Beschwichtigung der Geister. 32 Teile hat der menschliche Körper, jedem ist ein eigener Geist zugeordnet, und damit keiner entwischen kann oder Schabernack mit einem treibt, wird ein weißer Baumwollfaden um das Handgelenk gebunden. Mindestens drei Tage soll man ihn dort belassen, damit kein Geist abhanden kommt .
Als ich am nächsten Morgen im Flugzeug saß, auf dem Weg nach Kambodscha, zum zweiten Teil meiner Reise, und bemerkte, dass fast die Hälfte der Passagiere solche Schnüre trugen, nahm ich die meinen ganz diskret wieder ab, Nein, in der Gemeinschaft der Heilsucher habe ich nichts verloren. Da würde ich mit meinen ewigen Zweifeln nur stören. Außerdem bin ich der Meinung, dass meine Geister tun und lassen sollen, was sie wollen, Ich mach das ja auch.
Vom Reiz des Reisens und der Unerträglichkeit der Welt
Fünf Fragen — keine Antwort
(Aus der Pressemitteilung zum Erscheinen von Feuersteins Reisen )
1. Was macht das Reisen für Sie so reizvoll?
Die Veränderungen, die es in mir auslöst. Ich lebe, wo immer ich gerade wohnhaft bin, sehr zurückgezogen, fast einsiedlerisch, in einer Traum- und Arbeitswelt. Um mich der Realität zu stellen, muss ich nicht nur meine Wohnung verlassen, sondern auch meinen Wohnort, weil ich sonst sofort zurück in meine Höhle flüchten würde. Reisen befriedigt meine Neugier: Ist die Welt wirklich so absurd und
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