Frauen lügen
weggefahren. Leer.«
»Clever kombiniert. Setzt euch doch.«
Bastian Kreuzer deutet auf die beiden Bänke, die sich im Inneren des Autos gegenüberstehen. Die Jungs fallen wie Säcke auf die Polster und sehen ihn aus großen, plötzlich sehr leeren Augen an. Dann legen sie in einer fast simultanen Aktion die Arme auf den schmalen Tisch zwischen den Bänken und lassen anschließend ihre Köpfe darauf fallen.
»Ihr rührt euch nicht vom Fleck, verstanden? Der Typ da draußen in Uniform steht nicht zum Spaß hier. Wenn ihr türmt, gibt’s Ärger.« Als keine Reaktion kommt, setzt Bastian hinzu: »Meinetwegen ruht euch aus. Aber hierbleiben. Ich bin gleich wieder da.«
Mit großen Schritten eilt der Kommissar die Treppe hinauf. Es ist immer wichtig, den Tatort genau unter die Lupe zu nehmen, bevor Fotograf und Spurensicherung eintreffen und alles mit ihren Geräten vollstellen und mit ihrem Pulver bestäuben.
Oben warten zwei Uniformierte mit bleichen Gesichtern vor der Schlafzimmertür. Zwischen ihnen sitzt Fred Hübner auf dem Boden. Er hat die Knie angezogen und beide Hände vor die Augen geschlagen. Bastian hört keinen Laut, kann aber sehen, wie Hübners Schultern zucken. Aus der offenen Tür des Badezimmers dringen Würgegeräusche. Bastian zieht einen der Uniformierten zur Seite und deutet hinüber.
»Ist der mit dem schwachen Magen etwa einer von euch?«
»Der Kleine ist neu bei uns, ist sein erster Einsatz. Und dann gleich so eine Sauerei. Kein Wunder, dass dem schlecht wird, Sie waren ja noch nicht drinnen.«
»Na, dann wollen wir mal.«
Bastian Kreuzer schiebt sich durch die Schlafzimmertür und baut sich hinter Sven und Silja auf, die wie angewurzelt vor dem breiten Futonbett stehen. Auf dem Bett liegt der nur mit einer Tunika bekleidete Körper einer großen, schlanken Frau in fast schon entspannter Haltung auf dem Rücken. Die Kniekehlen befinden sich auf Höhe der Bettkante, so dass die Füße den Boden berühren, und die Arme sind weit geöffnet. Doch da, wo das Gesicht gewesen ist, sind jetzt nur noch Knochensplitter, Hirn und Blut. Auch ohne eingehende Untersuchung ist deutlich zu erkennen, was geschehen ist. Ein Schuss von vorn aus großer Nähe hat Susanne Michelsens Kopf auseinandergerissen. Lediglich die rechte Hälfte ist noch ansatzweise erhalten und das Ohr sogar völlig blutfrei, so dass der große Brillant darin fast obszön funkelt.
»Ein Raubmord war das jedenfalls nicht«, stellt Bastian lakonisch fest.
Langsam dreht sich Silja zu ihm um und fragt leise: »Hast du schon mal etwas so Brutales gesehen? Ehrliche Antwort, bitte.«
»Erstens: Ja, habe ich. Und zweitens: Es geht noch schlimmer, glaub mir.« Als Silja erschaudert, nimmt Bastian sie kurz in den Arm. »Soll ich dich rausbringen?«
»Nein, nein, es geht schon. Aber ich denke, ich werde mich mal um diesen Hübner kümmern. Vielleicht sollte ich ihn von hier fortbringen? Auf die Wache? Was meinst du?«
»Lieber nicht. Der steht total unter Schock. Der Kollege, der ihn die Treppe hochgelassen hat, ist ein Esel. Ich hoffe, es ist der, der sich gerade draußen die Seele aus dem Leib kotzt.«
»Der Kollege ist neu, ich glaube sogar, das ist sein erster großer Einsatz. Da kann das schon mal vorkommen – beides«, wirft Sven Winterberg beschwichtigend ein.
»Hab schon draußen davon gehört. Ist jetzt auch nicht mehr zu ändern. Aber Silja, versuch wenigstens ein bisschen was aus diesem Hübner rauszukriegen, gib ihm Kaffee oder was immer er will, meinetwegen auch einen Cognac.«
»Der ist seit Monaten trocken, haben doch alle Zeitungen drüber geschrieben.«
»Auch gut. Aber sieh zu, was sich machen lässt. Vielleicht gehst du ein bisschen mit ihm um den Dorfteich. So viel wie heute Abend wird er dir nämlich nie wieder erzählen. Und pass auf, dass er nicht völlig zusammenbricht. Am besten du rufst sicherheitshalber einen Arzt.«
»Die haben ihn vorhin schon notversorgen wollen, aber er hat jede Beruhigungsspritze abgelehnt.«
»Umso besser, jedenfalls für uns. Also schnapp ihn dir und rede mit ihm. Aber verschreck ihn nicht. Das wird keine Vernehmung, hörst du, nur ein Gespräch. Vor allem seine Beziehung zu der Toten ist wichtig und sein Alibi natürlich, falls er eins hat. Aber das weißt du ja alles selbst.«
Nachdem Silja den Raum verlassen hat, geht Bastian Kreuzer dicht vor dem Futonbett in die Knie.
»Siehst du das Blut auf dem Kissen, Sven? Das ist noch ganz feucht und gar nicht richtig in die Federn
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