Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Frauen lügen

Frauen lügen

Titel: Frauen lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ehley
Vom Netzwerk:
während des ersten Orgelstücks zu.
    Ratlos schüttelt der Oberkommissar den Kopf, bemerkt aber wenig später: »Im Englischen würde man die Atmosphäre zwischen Michelsen und der Blonden als ›familiar‹ bezeichnen. Dafür gibt’s im Deutschen kein Wort.«
    »So vertraut wie zur Familie gehörig? Meinst du das?«
    »Das trifft’s doch, oder?«
    »Sieht ganz so aus. Gut, dass wir hier sind. Das kann durchaus noch spannend werden.«

Mittwoch, 24 . August, 10.20  Uhr,
Villa am Friedhof, Wenningstedt
    Das heruntergekommene Haus seitlich der niedrigen Friedhofsmauer steht seit Jahren leer, ein Erbenstreit lähmt den Verkauf, der Garten verwildert. Zwar ist das Tor versperrt, aber es macht Fred Hübner wenig Mühe, den niedrigen Zaun zu übersteigen. Bei seinem gestrigen Besuch am Grab von Susannes Eltern hat Fred das Grundstück entdeckt, denn er konnte vom Friedhof aus direkt auf die Hinterfront und die rückwärtige Terrasse der baufälligen Villa sehen.
    Nur die niedrige Friedhofsmauer, ein unkrautbewachsener Graben und ein schmaler Weg trennen das Gräberfeld von dem verwilderten Garten, den Fred jetzt betritt. Auf der Terrasse steht ein alter Strandkorb, das Geflecht ist schadhaft, das blau-weiß gestreifte Polster zerschlissen und stark verschmutzt. Trotzdem quetscht sich Fred in eine Ecke und zieht die Lehne weit nach vorn, um möglichst gut vor fremden Blicken geschützt zu sein.
    Noch ist auf dem Friedhof alles ruhig. Das ovale Areal weist nur wenige höhere Bäume auf, so dass es gut zu überblicken ist. Die beiden Rundwege, die die Form einer Acht bilden, liegen verlassen im Sonnenlicht. Eingebettet in Rasenflächen und niedrige Bepflanzung finden sich in lockerer Folge Einzel- und Familiengräber.
    Das Grab von Susannes Eltern liegt nur wenige Schritte jenseits der Friedhofsmauer. Die Grube ist bereits ausgehoben, und auch zwei Ständer mit Sand und Rosenblüten stehen bereit. Fred schließt die Augen und bemüht sich, an nichts zu denken. Es gelingt ihm erstaunlich gut. Die zweite Beruhigungstablette dieses Morgens legt einen barmherzigen Schleier über seine Wahrnehmungen. Es ist, als seien nicht nur die Erinnerung an Susannes schrecklichen Tod, sondern auch diese ganze Beerdigung Dinge, die sich weit entfernt von Freds Existenz abspielten.
    Als plötzlich die Kirchenglocken läuten, schreckt Fred auf und muss sich eingestehen, dass er wohl für kurze Zeit eingenickt ist. Die Situation auf dem Friedhof hat sich indessen wenig verändert. Am Eingangstor lungern jetzt zwei Typen mit Kameras um den Hals herum, die vermutlich auf Schnappschüsse vom Trauerzug warten. Und am anderen Ende des Gräberfeldes rupft eine Frau mittleren Alters Unkraut von einer Urnenstelle, ohne sich um die Vorgänge in ihrem Rücken zu kümmern. Mit wachsender Nervosität beobachtet Fred, wie sich langsam die Sargträger und in ihrem Gefolge die Trauergäste nähern. Als er die blonde Porschefahrerin von vorhin direkt neben Jonas Michelsen entdeckt, verschlägt es ihm den Atem. Fast wäre er aus seinem geschützten Sitzplatz gesprungen und über Graben und Mauer gehechtet, um diesem Schwein von Ehemann gründlich die Meinung zu sagen. Aber er kann sich zusammenreißen, und die Beruhigungstablette dämpft ihn zusätzlich. Wie eine Serie von Einzelbildern, unzusammenhängend und immer wieder von kurzen Absencen unterbrochen, nimmt Fred Hübner das Geschehen auf dem Friedhof zur Kenntnis.
    Die Blonde tuschelt direkt vor der Grube mit Michelsen. Die Fotoreporter zücken ihre Objektive. Ein bulliger Typ drängt sie zur Seite. Die beiden Ermittler, die Fred noch vom vorletzten Jahr in unguter Erinnerung hat, starren die attraktive Begleitung Jonas Michelsens ziemlich unverhohlen an.
    Der Sarg mit Susannes Körper wird in die Erde gesenkt. Einzeln treten die Trauernden vor und greifen nach Erde oder Rosenblüten. Eine weite Stille liegt über dem Areal. Und als jenseits der niedrigen Mauer die letzte Handvoll Erde auf den Sarg mit Susannes sterblichen Überresten fällt, umfängt Fred Hübner fast so etwas wie eine große Beruhigung.
    Der Ostwind trägt die Geleitworte des Pfarrers und das gemurmelte gemeinsame Gebet der Trauergäste bis zu ihm in den alten Strandkorb.
Vater unser.
Der Journalist schließt die Augen.
Und vergib uns unsere Schuld.
Was mögen alle, die Susanne Michelsen in den letzten Jahren unglücklich gemacht haben, jetzt wohl denken?
Wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Ist nicht er, Fred Hübner, der

Weitere Kostenlose Bücher