Frauen rächen besser: Roman (German Edition)
sicher, ob er das zu mir sagte oder zu dem Hängeleuchter, der hinter mir an der Wand hing.
»Dann lasst uns gehen.«
Gerade wollte ich aufstehen, als es mich plötzlich siedendheiß durchfuhr. Ich hatte die allerwichtigste Regel in einem Selbstbedienungsrestaurant außer Acht gelassen: Ich hatte vergessen, meine leeren Teller auf einen anderen Tisch zu stellen.
Das allein hätte mir noch keine großen Sorgen bereitet. Isa, Roxie und Jo hatten ohnehin mitbekommen, dass ich meine Diät verschoben hatte, und die anderen Gäste futterten selber wie die Scheunendrescher, daher waren die mir auch egal.
Aber das Alptraumpärchen, das war mir nicht egal. Und genau die beiden tauchten jetzt auf. Als sie an unserem Tisch vorbeikamen, fassten sie meine Telleransammlung ins Auge, als müssten sie Inventur machen. Fehlte nur noch, dass sie einen Taschenrechner zückten, um die von mir konsumierten Kalorien zu errechnen. Dann setzten sie wieder ihr dämliches Grinsen auf, und ich sah, wie der Alte sich zur Jungen umdrehte, ihr etwas ins Ohr flüsterte – überhaupt eine Unart, das lernt man schon als Kind! –, worauf sie mich ansah, lachte und schließlich weiterging.
Langsam fragte ich mich, ob die von der Clubleitung engagiert worden waren, damit Gäste wie ich nicht zu viel konsumierten.
»Was hast du?«, fragte Roxie, weil sie sah, dass mich etwas störte.
Aber wie sollte ich ihr klar machen, was mich bedrückte? Sie war zu dünn, um ein geeignetes Ziel für Leute wie diese beiden abzugeben, wahrscheinlich hätte sie mich nicht verstanden und mir womöglich unterstellt, dass ich mir das alles nur einbildete.
»Gar nichts, ich bin nur durstig«, sagte ich deshalb und stand auf.
12
Wir saßen an der Poolbar und tranken Wodka mit Ginger Ale. Unser Thema war Sport, und ich redete eifrig mit. Auch nicht schlecht, was?
»Der Größte für mich ist Lance Armstrong, der Radfahrer«, stellte Isa gerade fest. »Der hatte Krebs und hat sich danach zum Dauersieger hochgeschuftet.«
»Ich sage da nur Hermann Maier: Dem haben sie beinahe das Bein abgenommen, und der wurde wieder Weltcupsieger«, hielt Roxie dagegen.
Und wie sie das sagte, ging ein Ruck durch Jos Körper. Bis jetzt hatte er sich zurückgehalten. Er war betrunken und schielte inzwischen beängstigend, aber anscheinend war das ein Thema, zu dem er etwas loswerden musste.
»Also, das mit Hermann Maier war in Wirklichkeit ganz anders«, sagte er, und es sah aus, als würde er mit der Musikbox neben Roxie reden.
»Was soll da anders gewesen sein?«, fragte Roxie. Die kann in Sachen Sportinteresse mit den dickbäuchigsten Familienpapis mithalten und duldet keinen Widerspruch.
Aber Jo blieb stur, auf die Gefahr hin, dass wieder nichts werden würde aus ihrem Zeig-mir-deins-zeig-ich-dir-meins-Spiel.
»Hermann Maier war in Wirklichkeit gar nicht so gut, wie alle behaupten«, sagte Jo trotzig.
Diese Aussage war so kühn, dass sich auch Isa einmischte. »Also, ich bin ja keine Expertin in Sachen Skisport, aber dass Hermann Maier jahrelang der Größte war, das weiß sogar ich«, sagte sie.
Jo machte eine Miene, als wäre er der einzige Sehende unter lauter Blinden, was mit seinen Schielaugen ein bisschen grotesk wirkte. Aber das konnte er ja nicht wissen.
»Ich bestreite ja nicht, dass er viel gewonnen hat, aber die Frage ist, warum er so viel gewonnen hat«, meinte Jo gewichtig. Dann schwieg er und starrte die Palme hinter Isa herausfordernd an.
Darüber mussten wir jetzt erst mal nachdenken, dann sagte Roxie: »Und was willst du damit sagen? Dass er gedopt war?«
Jo lächelte nachsichtig.
»Nein, so blöd war er nicht, da wären sie sofort draufgekommen bei den vielen Kontrollen, die die haben.«
Und wieder Schweigen.
»Verdammt, nun sag schon, oder müssen wir es aus dir rausprügeln?«, fragte Roxie, die langsam die Geduld verlor.
»Also gut, ich verrat’s euch. Aber eines sage ich euch gleich: Von mir habt ihr das nicht! Ich werde alles abstreiten, sollte man mich darauf ansprechen.« Er nahm noch einen kräftigen Schluck, dann beugte er sich mit verschwörerischer Miene vor. »Also, dass der Hermann Maier so gut wurde, hat nichts mit seinem eisernen Willen oder mit seinem Talent zu tun, sondern vielmehr mit der Kunst eines Chirurgen.«
»Du meinst nach seinem Unfall?«, sagte ich. »Also, so klug waren wir auch schon. Aber danach musste er sich wieder auftrainieren.«
Mir ist Sport im Allgemeinen und Skisport im Besonderen eigentlich
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