Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
Anstrengungen haben sollte.
Das Stichwort dazu fällt bereits in der frühen, unveröffentlicht gebliebenen Erzählung November : »Seit damals gab es für mich ein Wort, das unter den menschlichen Worten das schönste schien: Ehebruch , eine auserlesene Süße schwebt undeutlich über ihm, ein einzigartiger Zauber ziert es.« Es finde sich darin »die höchste Poesie, eine Mischung aus Verdammnis und Lust«, schwärmte der junge Autor. Hinter seiner Faszination für den Ehebruch steckte eine biographische Erfahrung: die verschwiegene Leidenschaft des fünfzehnjährigen Flaubert für die zwölf Jahre ältere Élisa Schlésinger, die mit ihrem Lebensgefährten, den Gustave für ihren Ehemann hielt, und dem gemeinsamen Baby im Sommer 1836 in demselben Ferienort an der Küste der Normandie weilte wie er. Des Nachts gab sich der eifersüchtige pubertierende Knabe wollüstigen Träumereien hin. Flauberts Briefe und Werke sind voll mit verborgenen Anspielungen an Élisa, stilisiert zu einer unmöglichen Liebe und einem lebenslangen Wunschbild. Von der »Poesie der Ehebrecherin« spricht sein Tagebuch vom Mai 1845, und ein weiteres Jahrzehnt später lässt er in Madame Bovary Emmas baldigen Geliebten Léon sinnieren: »Gleich würde sie da sein, bezaubernd, erregt … mitsamt der Poesie des Ehebruchs und dem unsagbaren Reiz der Tugend, die da strauchelt.« Léon hegt diese Gedanken, während er in der Kathedrale von Rouen unruhig auf Emma wartet. Nicht den gesamten Passus, wohl aber den Ausdruck »Poesie des Ehebruchs« hat Flaubert in der veröffentlichten Fassung gestrichen. In Anbetracht der Anschuldigungen der Staatsanwaltschaft, dass sein Roman durch die amoralische Verherrlichung des Ehebruchs gegen Moral und Sittlichkeit verstoße (was Flaubert und sein Verteidiger Marie Antoine Jules Senard natürlich vehement bestritten), erschien ihm die Wendung von der Poesie des Ehebruchs dann doch zu verräterisch – ganz zu schweigen davon, was auf die Szene in der Kathedrale noch folgt: die berühmte Fiakerfahrt, deren Beschreibung dem Leser eine stundenlang »ohne Plan, ohne Ziel, auf gut Glück« durch die Stadt stromernde Droschke zeigt, »verschlossener als ein Grab und schaukelnd wie ein Schiff«, während seine Imagination nur zu gut weiß, dass Emma und Léon gerade der Poesie des Ehebruchs Taten folgen lassen. Wegen dieser Imagination, an die Flauberts Roman mit jedem Satz appelliert, und nicht weil zwei Menschen erst in einen Fiaker einsteigen und nach einiger Zeit wieder aussteigen, hatte die Revue de Paris sehr zum Unwillen Flauberts von einem Abdruck dieser Passage abgesehen.
Hinter der Poesie des Ehebruchs steckt also noch etwas anderes, und indem wir das entdecken, kommt auch der neue Kontinent in Sichtweite, den Flaubert mit seinem Roman den Leserinnen und Lesern erschließt. Sollen wir es die Prosa des Sex nennen? Sie ist in Madame Bovary jedenfalls allgegenwärtig. Selten explizit; doch nie beschränkt sich Flaubert auf gleichnishafte Andeutungen oder die von der Konvention geduldeten mythologischen oder anderweitigen Anspielungen. Seine Sprache ist in dieser Hinsicht stets überaus konkret und selbst in ihrer Indirektheit nur allzu deutlich. Die Prosa des Sex spielt sogar eine Rolle bei der ersten Begegnung von Emma und Charles, deren Ehe in dieser Hinsicht ansonsten in kaltes Schweigen gehüllt ist. Als der zu diesem Zeitpunkt in erster Ehe Verheiratete schon gehen will, dreht er sich noch einmal um. »Suchen Sie etwas?«, fragt Emma. »Verzeihung, meine Reitpeitsche«, antwortet er. Und nun beginnt ein Stöbern und Rutschen, er auf dem Bett, hinter den Türen, unter den Stühlen; sie auf dem Boden, zwischen der Mauer und den Kornsäcken, die dort herumstehen. Es ist natürlich Emma, die das verlorene Utensil entdeckt. Und während er galant hinzueilt, berührt seine Brust den Rücken des Mädchens, das sich unter ihm bückt. Mit rotem Kopf richtet sie sich auf und schaut ihn über die Schulter an, »in der Hand seinen Ochsenziemer«.
Von der Entdeckung des Sex zu sprechen, ist indes noch zu allgemein. Der neue Kontinent, den Flauberts Buch entdeckt, ist die weibliche Sexualität, bis dahin terra incognita im Roman. Pamela hatte ihren Mr B. noch bekommen, indem sie sich seinen sexuellen Wünschen konsequent verweigerte. Clarissa hingegen, die sich verführen ließ, büßte dafür mit ihrem guten Ruf und ihrem Leben. Von sexuellen Bedürfnissen, gar gelebter Sexualität, konnte bei beiden jedoch
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