Frauen und Bücher: Eine Leidenschaft mit Folgen (German Edition)
Schubart, ein vehementer Kritiker des Lebenswandels von Adel und Klerus, 1774 mit öffentlichen Deklamationen aus dem Messias und verlangte Eintritt, 24 Kreuzer pro Person. Schon bald war der Andrang so groß, dass er seine Wohnstube mit einem öffentlichen Platz vertauschen musste. Dort stieg die Anzahl seiner Zuhörer schnell auf einige Hundert, was ihm dann pro Vorlesung 50 bis 60 Taler einbrachte. »Da konnt’ ich meinen Kindern manche Wohltat erweisen und manch gutes Glas Wein auf Ihre Gesundheit trinken«, berichtete er dem eigentlichen Urheber seines neuen Wohlstands. Aber auch Drucker und Raubdrucker profitierten, denn die Vorlesungen stimulierten den Absatz der Messiade gehörig. Allerdings mache er seine Sache, wie Schubart gegenüber Klopstock angab, auch ziemlich gut. »Klopstock! Klopstock! scholls von allen Lippen, wenn eine Vorlesung geendigt war.« Der Dichter wird es gerne gelesen haben, dass selbst der beste Deklamator gegen die emotionale Bindung der Zuhörer an ihn, den Autor, nichts auszurichten vermochte, sondern seinen Ruhm nur noch vermehrte.
Betrachtet man das Porträt, das der Schweizer Maler Johann Caspar Füssli von Klopstock während seines Züricher Aufenthaltes angefertigt hat, so blickt uns ein herausfordernder junger Mann an, der sich der Wirkung seiner Person fraglos bewusst zu sein scheint. Vor kurzem hat ihn die Nachricht erreicht, dass ihm der dänische König eine Pension bewilligt, damit er in Muße seinen Messias vorantreiben und vollenden kann. Bedingung für die Auszahlung ist allerdings, dass er sich in Kopenhagen aufhält, was ihm, insbesondere von Zürich aus, zu nahe am Nordpol zu liegen scheint, wo sich die Musen bekanntlich nicht gerne niederlassen. So hält sich seine Reiselust in Grenzen; es geht sogar das Gerücht, er sei in der Schweiz ein Kaufmann geworden und wünsche sich dort zu verheiraten. So berichtet es jedenfalls Klopstocks Leipziger Studienfreund Nikolaus Dietrich Giseke seiner Jugendfreundin, der zu diesem Zeitpunkt dreiundzwanzigjährigen Hamburger Kaufmannstochter Margareta Moller, genannt Meta, als diese ihn nach Klopstock fragt. Buchstäblich auf der Toilette hat sie dessen Messias entdeckt und auch angefangen zu lesen. Eine Freundin hatte aus den betreffenden Seiten der Neuen Beyträge zum Vergnügen des Verstandes und des Witzes Schlangenwickler gemacht, sogenannte Papilotten, um Locken ins Haar zu drehen. Die belesene und gebildete Meta, die Französisch, Englisch, Italienisch und sogar Latein beherrscht, klebt die Streifen wieder zusammen und fängt bei der Lektüre sofort Feuer. »Ist mehr von diesem göttlichen Gedicht zu haben, und wer ist der Verfasser?« Sechs Wochen später weiß Giseke Genaueres zu berichten: »Klopstock geht nach Kopenhagen, kommt durch Hamburg, ist kein Kaufmann, nun sollen Sie ihn sehen.«
Giseke, momentan Erzieher in Braunschweig, trifft sich dort mit seinem Duzfreund Klopstock, der auf der Durchreise ist. »Höre Klopstock, du musst in Hamburg ein Mädchen besuchen, die heißt Mollern.« Klopstock, ganz gegen seine Gewohnheit: »Ich gehe nicht nach Hamburg, um Mädchen zu sehen, nur den Dichter Hagedorn will ich sehen.« – »Ach, Klopstock, das Mädchen musst du sehen, sie ist so ganz anders als andere, sie liest den Messias mit Entzücken, sie kennt dich schon und erwartet dich.« Er beschreibt ihm Meta, ihre großen hellen, kritischen Augen, ihre Offenheit und Unabhängigkeit. Klopstock wird nachdenklich. Giseke setzt nach: »Verlieb Dich bloß nicht in sie, sie ist schon verlobt.« Jetzt hat er ihn: »Gib mir ihre Adresse.«
Kaum in Hamburg angelangt, wird nach Meta Moller geschickt, wann Herr Klopstock seine Aufwartung machen könne. Meta macht gerade zusammen mit ihrer Schwester die Wäsche. Dennoch kommt ihre Antwort ohne jedes Zögern: »Gleich gleich gleich mag, muss Herr Klopstock kommen.« Die Schwester ist entsetzt: »Besinne dich doch, wo willst du ihn empfangen, nur das Zimmer hier ist geheizt, und es ist voller Wäsche.« Beherzt rafft Meta die ganze Wäsche zusammen, und drei Minuten später ist die Stube geräumt.
Und schon ist Klopstock da. Die Schwester sitzt derweilen im unbeheizten N ebenzimmer, denkt, so lange wird die Visite schon nicht dauern. Doch geschlagene zwei Stunden muss sie frierend in der Kälte verbringen. Nach einer Stunde kommt Meta herein, um ein Buch zu holen. »Wie gefällt er dir?« – »O, das ist ein rarer rarer Junge, ich habe ihn schon für morgen Mittag eingeladen,
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