Frauen verstehen mehr von Liebe
Schein.«
»Albert!« rief Karl. »Du überfordert meine intellektuellen Fähigkeiten. Würdest du deshalb bitte auf mein geistiges Niveau herabsteigen und versuchen, mir in allgemeinverständlicher Form die nötige Aufklärung zu liefern?«
»Hör zu, Karl …«
Albert Max legte seinem Freund die Strategie dar, die er sich ausgedacht hatte. Das rief manche launige Zwischenbemerkung des Malers hervor, jedoch keinen einzigen Einwand der Entrüstung. An Moral oder ähnliches dachte Thaler so wenig wie Max. Moral kann man von Männern in solchen Dingen anscheinend nicht erwarten.
Zuletzt fragte der Kunstmaler amüsiert: »Wie heißen die zwei denn?«
»Sonja und Vera.«
»Und welche von denen ist die, die du leimst?«
»Vera.«
»Aha. Und Sonja ist die, die ich für dich warmhalten soll?«
»Genau.«
»Steile Zähne sind beide?«
»Beide.«
»Dann mache ich mit. Ich behalte mir aber eines vor …«
»Was?«
»Daß ich mich, sobald es geht, an dieser Vera schadlos halte. Alle beide dürfen mir nicht verwehrt bleiben, das sage ich dir. Irgend etwas muß ich ja vom Ganzen auch haben.«
»Einverstanden«, sagte Max.
Nach diesem Telefonat legte sich Karl Thaler noch einmal aufs Ohr und setzte seinen unterbrochenen Schlaf eines Gerechten wieder fort. Dasselbe hätte gern auch Albert Max getan, konnte es aber nicht, denn sein Beruf verweigerte ihm den dazu nötigen Müßiggang. Er mußte hart arbeiten.
Nachdem er aufgelegt hatte, blickte er auf die Uhr.
»Moritz!« rief er seinen Hund. »Komm, wir gehen frühstücken. Unser Morgenspaziergang muß heute ausfallen. Dazu ist es schon zu spät.«
Im Stammcafé nahm bis zu einem gewissen Zeitpunkt alles seinen gewohnten Verlauf. »Das übliche?« fragte der alte Kellner. »Das übliche«, nickte Max, sich setzend. Nach fünf Minuten stand das übliche auf dem Tisch. Dann aber hüstelte der Ober in ganz unüblicher Weise.
Sein Gast blickte auf, sagte: »Was gibt's, Herr Augustin?«
»Erlauben Sie eine Frage, Herr Doktor?«
»Natürlich.«
»Entsinnen Sie sich unseres kürzlichen anomalen Gesprächs?«
»Anomal?«
»Anomalen zwischen einem Kellner und einem Gast.«
»Meinen Sie das Gespräch über jene beiden jungen Damen, denen ich begegnet war?«
»Und von denen Sie so sehr beeindruckt waren, ja.«
»Ja, ich erinnere mich, sehr gut sogar. Sie gaben mir einen Tip.«
»Den ich hiermit widerrufen möchte, Herr Doktor.«
Max, der bisher unentwegt gelächelt hatte, veränderte seinen Ausdruck.
»Warum?« fragte er.
»Es war ein schlechter Tip, Herr Doktor.«
»Es handelt sich doch um eine positive Erfahrung aus Ihrem eigenen Leben?«
»Positiv verlief damals nur der erste Teil. Der zweite nicht. Ich hatte auf den vergessen, als ich mit Ihnen sprach. Inzwischen ist er mir wieder eingefallen.«
»Und was war das Negative daran?«
»Daß er fast mit einem Selbstmord endete.«
Der Schock für Albert Max war durchaus zu bemerken. Max verschlug es sekundenlang die Sprache; ein bißchen flatterten auch die Augenlider. Er rauchte selten, vor dem Frühstück nie, aber nun erlag er dem Bedürfnis, sich rasch eine Zigarette anzuzünden. Dann freilich war das Schlimmste überwunden. Er sagte: »Da kann man wieder einmal sehen, wie sich die Zeiten geändert haben. So verrückt sind die Frauen heute nicht mehr.«
»Meinen Sie?« antwortete der Kellner.
»Ich bitte Sie, Herr Augustin, in Amerika und Israel rücken viele von denen schon zur Armee ein. Kann sein, daß es auch bei uns bald soweit ist. Daran können Sie ersehen, aus welchem Holz die heute geschnitzt sind.«
Moritz wartete schon lange auf das Zeichen des Kellners, mit in die Küche zu kommen. Nachdem ihm das einmal erlaubt worden war, hatte er sich innerhalb weniger Tage ganz und gar daran gewöhnt. Er kannte das nicht mehr anders. Es war ihm zum Gewohnheitsrecht geworden.
»Komm«, sagte zu ihm der Ober, sich seiner Pflicht erinnernd, und schlug den Weg zur Küche ein.
Albert Max ließ sich das Frühstück schmecken.
Sonja Kronen und Vera Lang blätterten gemeinsam die neue Ausgabe einer Zeitschrift mit viel Mode, Reise und Erholung durch. Sie hatten Zeit dazu. Von Kunden wurden sie nicht gestört, obwohl der Geschäftsgang langsam, ganz langsam angefangen zu haben schien, sich etwas zu beleben.
Vera zeigte auf eine Seite in der Zeitschrift und fragte Sonja: »Glaubst du, daß die Röcke wirklich wieder kürzer werden?«
»Kommt darauf an, wer sich durchsetzt, die Franzosen oder die Italiener.
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