Frauen verstehen mehr von Liebe
Toleranz ein mehr und mehr verkümmerndes Pflänzchen war.
»Du triffst dich also mit Vera«, sagte Max zu Thaler, der erwiderte: »Ja, übermorgen. Ich strebte das ja heute schon an, aber das ging ihr zu schnell; sie hatte keine Zeit.«
»Sagte sie dir, was sie heute macht?« fragte Max.
»Nein. Sie habe zu tun, meinte sie.«
Max grinste vor sich hin.
Nach einem Weilchen sagte er: »Wichtiger wäre ja gewesen, daß du dir die andere angelacht hättest.«
»Dazu bot sich keine Gelegenheit.«
»Du mußt aber das immer im Auge behalten.«
»Bleibt denn deine Absicht bestehen?«
»Natürlich.«
»Auch wenn sich herausstellt, daß die nicht Veras Freundin ist, sondern ihre Chefin?«
»Was könnte das daran ändern, daß sie mir gefällt? Außerdem ist doch beides möglich: daß sie die Chefin und Freundin ist.«
»Und warum sagt man dir das nicht?«
Diese Frage hatte Gewicht, das ließ sich nicht leugnen. Max zuckte mit den Schultern und seufzte.
»Das weiß ich nicht, Karl.«
Sonja und Vera führten, nachdem sich Karl Thaler von Vera verabschiedet hatte, zusammen wieder ein Gespräch, in dem ein bißchen Zündstoff schwelte. Es fing damit nicht Sonja an, die sich an ihr Versprechen, sich nicht mehr in Veras Privatangelegenheiten einzumischen, halten wollte. Es fing Vera an, die sagte: »Dir steht deine Verwunderung ins Gesicht geschrieben.«
»Meine Verwunderung? Worüber?«
»Über mich.«
»Ich weiß nicht, was du willst.«
»Komm, tu nicht so. Ich kenne dich, du bist schockiert über mein Verhalten.«
»Dein Verhalten ist deine Sache, Vera, darüber haben wir uns geeinigt und –«
»Du kannst nicht verstehen«, unterbrach Vera ihre Freundin, »daß ich die Einladung von dem angenommen habe.«
Sonja schwieg.
»Heute mit dem … übermorgen mit dem … beide sind befreundet … das ist dir unbegreiflich«, fuhr Vera fort.
Sonja brach ihr Schweigen immer noch nicht.
»Für dich käme so etwas nicht in Frage – oder?« ließ Vera nicht locker.
»Nein!« stieß Sonja hervor.
»Warum nicht?«
»Weil man das nicht tut.«
Etwas Besseres war Sonja in der Eile nicht eingefallen. Prompt ergoß sich Veras Spott über sie.
»Ach, weil man das nicht tut. Weißt du, was man noch alles nicht tut? Ich kann dir zwei Beispiele nennen: Meine Oma besuchte mich kürzlich und stellte entsetzt fest, daß ich eine eigene Wohnung habe. Ein behütetes junges Mädchen, sagte sie, mietet sich keine Wohnung, in der sie unbeaufsichtigt ist. Und als ich ihr von dir erzählte, sagte sie: ›Ein behütetes junges Mädchen führt kein eigenes Geschäft. Das überläßt sie den Männern.‹«
»Vera«, leistete Sonja einen Widerstand, der irgendwie matt wirkte, »du willst mich doch nicht mit deiner Großmutter auf eine Ebene stellen?«
»Manchmal verleitest du mich dazu.«
»Es ist ein Unterschied zwischen einem Geschäft, das ich führe, und Männern, die du reihenweise verkonsumierst.«
»Von letzterem zu sprechen, ist noch verfrüht – jedenfalls, wenn du die beiden meinst, deren Einladungen ich angenommen habe.«
»Ja, die meine ich! Und du wirst mir zugeben, daß jeder von denen dasselbe will von dir!«
»Ich hoffe es.«
»Vera!!«
»Dann ist es ja immer noch meine Entscheidung, wer von den beiden es kriegt.«
»Wahrscheinlich jeder«, sagte Sonja.
Vera, keineswegs beleidigt, schüttelte den Kopf.
»Das glaube ich nicht, Sonja.«
»Soll das heißen, daß du dich mit einem begnügen willst?«
Vera wiegte den Kopf. Das bedeutete: Sicher ist das noch nicht. Sonjas Empörung amüsierte Vera.
Sonja meinte es ernst, als sie fortfuhr: »Man sollte dir dein Spiel vereiteln, meine Liebe.«
»Dazu müßte erst mal jemand in der Lage sein«, spottete Vera.
Wütend antwortete Sonja: »Und das traust du niemandem zu?«
»Nein, meine Liebe.«
»Ich aber!«
»Wem denn?« fragte Vera. Mit unkontrollierter Geringschätzung in der Stimme setzte sie hinzu: »Dir vielleicht?«
Das war der entscheidende Schritt, den sie damit, ohne es eigentlich zu wollen, zu weit gegangen war. Sonja wurde plötzlich ganz ruhig, nickte, ging in ihr Refugium, gewann dort innerliche Klarheit, kam nach drei Minuten wieder zum Vorschein und sagte freundlich zu Vera: »Die ließen mich doch durch dich fragen, ob ich beim Segeln mitmache?«
Die Überraschung für Vera war erklärlicherweise groß.
»Ja, warum?«
»Weil du ihnen sagen kannst, daß das der Fall ist.«
»Aber Sonja, wieso denn das so plötzlich?«
»Oder noch besser,
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