Frauen verstehen mehr von Liebe
gib mir von einem der beiden die Telefonnummer, dann sage ich ihm das selbst.«
»Und dein Versteckspiel? Wer ist Sonja Kronen? Wem gehört die Boutique? Und so weiter … Was ist damit?«
»Das fliegt dann auf, klar.«
»Spielt das auf einmal keine Rolle mehr für dich?«
»Schon«, nickte Sonja, setzte jedoch rasch in leichtem Ton hinzu: »Aber du selbst sagtest ja, daß ich dem viel zuviel Gewicht beimesse. Herr Max würde sich nur amüsieren.«
»Vielleicht doch nicht. Ich würde mir das an deiner Stelle noch einmal überlegen.«
»Sag mal«, wunderte sich Sonja, »warum willst du mir auf einmal das Ganze ausreden? Ursprünglich hast du doch einen ganz anderen Standpunkt vertreten?«
»Ich bin nur überrascht. Ausreden will ich dir gar nichts.«
»Dann gib mir die Nummer von einem der beiden.«
Veras Wahl fiel auf Karl Thaler. Sie schrieb dessen Telefonnummer auf einen Zettel und überreichte ihn Sonja, die ihrer Entschlossenheit Ausdruck verlieh, indem sie, ohne zu zögern, den Maler sofort anrief. Aber es wurde nicht abgehoben. Auch noch zwei weitere Versuche, die Sonja in größeren Zeitabständen folgen ließ, schlugen fehl.
»Am sichersten erreichst du ihn morgen früh, wenn alle Welt schon arbeitet und er noch schläft«, sagte Vera.
Nach dem Mittagessen hatte Sonja Geschäftsbesuch zu verzeichnen, der einen unerwarteten Verlauf nahm und von dem die beiden Mädchen, deren Beziehungen sich zu lockern drohten, wieder richtig zusammengeschweißt wurden.
Herr Becker kam, Ernst Becker. Er galt als wichtiger Vertreter einer Firma, von der Sonja Kronen, solange sie finanziell noch auf wackligen Beinen stand, abhängig war. Sonja stand bei der Firma in der Kreide. Becker hatte sich sehr für Sonja eingesetzt. Das Resultat waren längere Zahlungsziele gewesen.
Sonja fand deshalb Becker erklärlicherweise sehr sympathisch. Er machte hohe Umsätze, verdiente dadurch viel Geld, aß und trank gerne gut und teuer, ergo wog er, obwohl er kaum mittelgroß war, mehr als zwei Zentner, schwitzte ständig, und er hätte Grund gehabt, mehr auf sein Herz zu achten. Das gleiche galt auch für seine Frau, die eine Unmenge Süßes in sich hineinstopfte und nicht verstehen konnte, daß sie unaufhaltsam zunahm und an Atemnot litt, obwohl sie doch ›keine Kartoffeln, kein Brot und auch nur ganz wenig Fleisch zu sich nahm‹. Die Liebe zwischen ihr und ihrem Mann blühte nur noch auf ihrer Seite. Ernst Becker schätzte an seinen Geschäftsreisen am meisten die Möglichkeiten, die sie ihm boten, seine Ehe vergessen zu können. Dazu war es aber in seinem Alter unerläßlich notwendig, daß er Partnerinnen fand, die erstens schöner waren als seine Gattin – nichts leichter als das – und zweitens jünger, viel, viel jünger. Sonja Kronen erfüllte beide Voraussetzungen.
Nachzutragen wäre noch, daß Ernst Becker ein Mann war, der, wenn er sich ein Ziel gesetzt hatte, dieses nicht mehr aus den Augen ließ und keine Skrupel hatte, bei Gelegenheit zur Sache zu kommen.
Sonja gab ihrer Freude Ausdruck, als sie ihn hereinkommen sah. Lächelnd ging sie ihm entgegen und sagte, daß sie den ganzen Tag schon das Gefühl gehabt habe, etwas Angenehmes zu erleben.
Sie schüttelten sich die Hände. Becker kannte Vera nicht und schenkte ihr auch keine Beachtung. Diejenige, welche er im Visier hatte, war Sonja und keine andere. Er wollte keine Zeit verlieren und teilte Sonja mit, daß er sie gerne zum Essen eingeladen hätte.
»Tut mir leid«, bedauerte Sonja, »heute abend besuchen mich zwei Damen vom Skigymnastikkurs.«
Becker teilte ihr daraufhin mit, daß sie sich in einem Irrtum befinde. Er denke an eine Einladung zum Mittagessen.
»Zum Mittagessen? Jetzt?« erwiderte Sonja überrascht.
»Ja.«
Sonja bedauerte erneut. Damit komme er zu spät, verriet sie ihm. Zu Mittag habe sie schon gegessen.
»Aber ich noch nicht«, sagte er lächelnd. »Sie können mir wenigstens Gesellschaft leisten.«
Sonja fühlte sich ein bißchen überfahren. Doch was sollte sie machen? Den netten Herrn Becker, dem sie allerhand verdankte, wollte sie nicht vor den Kopf stoßen.
Becker war sich seiner Sache sicher. Er ging schon voraus zur Tür, drehte sich dort um und wartete auf die nachkommende Sonja, die sich noch rasch vor den Spiegel stellte, an ihren Haaren herumzupfte, ein bißchen Rouge auflegte, ihre Lippen nachzog und dann in ihren Sommermantel schlüpfte. Dabei sagte sie leise zu Vera: »Das paßt mir jetzt gar nicht. Ich hätte dich
Weitere Kostenlose Bücher