Frauenbataillon
unterhalten, die Dallmann am anderen Ufer erschossen hatte.
»Ich weiß nicht, warum die da drüben so still sind«, hatte Hesslich gesagt. »Das gefällt mir nicht. Wie ist es bei dir, Theo?«
»Still ruht der See …«
»Das ist doch nicht normal!«
»Für mich schon! Ich bin froh, wenn ich auf die Mädchen nicht zu schießen brauche. Ob Scharfschützinnen oder nicht – es bleiben Mädchen. Da müßte ich mir schon einen gewaltigen Ruck geben …«
In diese Verlegenheit kam er nun nicht mehr. Zunächst wurden drei Deutsche mit einem gewaltigen Kolbenhieb betäubt. Theo Krahneburg war dann unter den ersten sechs, die erschossen wurden. Zum Schluß tötete man auch die drei anderen. Die Schüsse hallten durch den großen Raum, aber die noch intakten Wände sorgten dafür, daß das peitschende Krachen nur sehr gedämpft nach außen drang. Trotzdem rannten die Mädchen sofort aus dem Haus und warfen sich ins Gras. All dies geschah lautlos, ohne Kommando oder Zuwinken. Jedes der Mädchen wußte genau, wie es sich zu verhalten hatte. Sie rannten auseinander und bildeten einen Halbkreis. Niemand, der in diese Falle tappte, besaß eine Überlebenschance.
Das Gehör eines alten Frontschweins reagiert allergisch auf alle Geräusche, die auch nur entfernt an Schüsse erinnern. Plötzerenke, der gerade intensiv mit Schanna beschäftigt war, hob plötzlich den Kopf und lauschte. Auch Schanna hatte es gehört. Ihr Herz klopfte wild, ihre Muskeln spannten sich, und mit weiten Augen starrte sie gegen das schwarze Gebälk über sich.
Das sind sie, dachte sie. Sie suchen mich. Das sind Stella und Lida, Marianka und die anderen Kameradinnen. Kommt hierher! Hierher! Schnell …
Dann starrte sie Plötzerenke an, der sich von ihr gewälzt hatte, neben ihr kniete und seine Maschinenpistole durchlud.
»Sauerei!« sagte er mit tiefer Stimme. »Nicht einmal vögeln kann man in Ruhe. Haste gehört, Mädchen?! Das waren doch Schüsse, gar nicht weit von hier. Ganz bestimmt waren das Schüsse! Wer ballert denn jetzt da herum?!«
Der Klang seiner Stimme, sein enttäuschtes Gesicht und seine offensichtliche Hilflosigkeit trotz der Waffe, die er in der Hand hatte, veranlaßten Schanna, nicht zu schreien. Außerdem wäre es sinnlos gewesen. Beim ersten Ton hätte Plötzerenke sofort mit dem Kolben zugeschlagen, so gern er Schanna auch hatte. Und wenn es Stella war, die über den Fluß gekommen war, um Schanna zu suchen, so hatte sie nach der Schießerei ohnehin keine Zeit mehr, um einem einzelnen Schrei nachzugehen. Also blieb Schanna liegen, preßte die Hände auf ihr Herz und begann verstohlen zu weinen.
Zum drittenmal habe ich versagt, dachte sie. Zum drittenmal! Darf ich noch weiterleben? Habe ich noch einen Funken Ehre? Wie kann ich mich noch als sowjetische Volksgenossin bezeichnen?!
Sie sah Plötzerenke an, der noch immer mit der MP neben ihr kniete und lauschte. Auf seiner Haut schimmerte Schweiß, sein Magen zuckte erregt. Auch er hat Angst vor dem Tod, dachte sie und beruhigte sich plötzlich. Wir alle haben diese Angst. Wer behauptet, er könne sein Leben fortwerfen, ohne daß sich die Angst in ihm regt, der lügt! Wir leben doch so gerne. Wir sind nur Helden, weil man uns zu Helden machen will. Sicher, es macht stolz, ein Held zu sein – aber glücklicher ist man, wenn man in Frieden leben kann!
»Jetzt ist es still!« sagte Plötzerenke und legte die MP durchgeladen und entsichert neben sich ins Stroh. »Da hat so'n saublöder Hund von Posten ein Karnickel gejagt, wetten?« Er blickte an sich hinunter, grinste und warf sich neben Schanna auf den Rücken. »Nu ist die ganze Pracht vorbei, siehste? Ich hab auch keine Lust mehr – was, da biste froh!« Er streichelte noch einmal ihren Leib und ihre Brüste, zog sich dann an und kontrollierte den Schulterverband. »Alles in Ordnung, Mädche. Schlaf jetzt.«
Er band ihr wieder die Hände und die Füße zusammen, küßte sie auf die großen schwarzen Augen, löschte die Lampe und verließ das Haus. Vor der Tür blieb er im Dunkeln stehen und blickte hinüber zum Fluß.
Wieder hatte Plötzerenke Glück. Die Gruppe Stella Antonownas begab sich in einem Bogen, der von der 4. Kompanie wegführte, zum Donez und erreichte die künstliche Insel, ohne daß jemand sie sah oder hörte. Erst als sie wieder nackt an dem getarnten Floß hingen und dieses zum anderen Ufer dirigierten, sprachen sie wieder miteinander.
»Das war ein guter Einsatz«, sagte Stella Antonowna stolz. »Davon
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