Frauenbataillon
Opfer, ihr wißt es ja. Wie viele Mädchen sind es denn?
Und was höre ich da? Sagt doch der Genosse Kommandeur: ›Meine liebe Soitschka, worauf hoffen Sie? Keine Mädchen … wir schicken Ihnen einen Mann hinüber. Einen guten Mann! Nach dem Tod unseres lieben Miranski brauchen Sie eine kräftige Unterstützung. Der Genosse, der heute kommt, ist einer der besten Scharfschützen der 7. Garde-Armee!‹« Die Bajda holt schnaufend Atem. Als wolle er die Welt auseinanderschneiden, hieb Ugarow das Schnitzmesser in den Boden. Die Bajda fuhr fort: »Das sagt er so einfach daher! Ein Mann kommt! Und keine Chance zu protestieren! Kein Einspruch möglich. Der Genosse General hat's einfach befohlen! Schluß damit! Victor Iwanowitsch, was soll ich hier mit einem neuen Mann? Miranski – er ruhe sanft – war schon eine Last mit seiner ewigen Nörgelei. Soll sich das wiederholen?«
Ugarow sah ganz andere Probleme auf sich zukommen. Ein neuer Mann – wer wußte, wie er aussah, wie er sich benahm und wie er auf die Frauen wirkte –, ein neuer Mann bedeutete zunächst einmal eine Gefahr für den häuslichen Frieden, in dem Ugarow zur Zeit lebte. Die Ankunft einer neuen Frau, Galina Ruslanowna, war nur deshalb nicht zur Tragödie ausgeartet, weil Soja und Galina sich dahingehend geeinigt hatten, daß der gute, schöne und fleißige Ugarow überfordert gewesen wäre, wenn er zwei Frauen ihres Schlages hätte zufriedenstellen müssen. In diese kluge Einsicht fügte man sich, und der Friede wurde nicht angetastet.
Wußte man nun im voraus, ob der neue Mann ebenso einsichtig war und ob er vor allem Soja mit allzu herzlichen Gunstbezeigungen verschonen würde? Ugarow stellte sich vor, wie solch einem Mann zumute war, der unversehens mit neunundsechzig mehr oder minder schönen, auf jeden Fall aber liebeshungrigen Mädchen zusammenleben mußte. Das war, wie in einen Ameisenhaufen geworfen zu werden – es biß und zwickte und juckte von allen Seiten. Wenn dieser Neue dazu noch von guter Figur, jung, kräftig und leistungsfähig war, sah Victor Iwanowitsch selbst für Soja Valentinowna gewisse Gefahren erwachsen.
»Ich werde sofort mit ihm sprechen«, sagte Ugarow mit finsterer Miene.
»Gar nicht erst kommen dürfte er!« schrie die Bajda! »Weiß man, was für ein Kerl er ist? Vielleicht ein Spitzel? Ein ekeliger Zuträger? Auge und Ohr der hinteren Stäbe?! Das erste, was er melden wird: Kapitän Bajda und Leutnant Ugarow schlafen zusammen. Sie leben in ihrem Bunker wie ein Ehepaar …«
»Ich werde ihn erschlagen!« knurrte Ugarow dumpf. »Jawohl, das werde ich. Ihn erschlagen, wenn ich ihn als Spion des Stabes entlarve! Wie gut, daß wir die deutsche Strickmütze haben – der kann man alles zuschieben!«
Das waren natürlich sehr theoretische Überlegungen, die zu keinem konkreten Ergebnis führten. Ugarow versuchte es selbst noch einmal beim Bataillonsstab, aber dort sagte man ihm kühl, es sei eine Entscheidung des Generals, und ob er, der Leutnant Ugarow, vielleicht kritisieren wolle? Wenn ja … bitte, man stelle gern zur Armee durch.
Ugarow verzichtete darauf, mit einem der Genossen der 7. Garde-Armee zu streiten. Was würde dabei anderes herauskommen als ein gewaltiger Anpfiff und die Frage zurück ans Bataillon: Wer ist dieser Idiot Ugarow? Wagt es, den General anzumachen! Behaltet ihn mal näher im Auge, Genossen …
Und genau dies wollte Ugarow unbedingt vermeiden. Kein Aufsehen, bloß nicht höheren Ortes auffallen, vielmehr ein Körnchen bleiben unter vielen Körnchen – dann lebt man ruhig, auch wenn ab und zu ein Stiefel über einen hinwegknirscht. So eben überlegt man. Die Aufmerksamkeit der Mächtigen erregt zu haben, kann dagegen verderblich sein.
»Wir müssen es hinnehmen!« sagte Ugarow zu Soja Valentinowna. »Aber laß ihn nur kommen. Empfangen werde ich ihn, daß es ihm im Darm rumort!«
Das war aber noch nicht alles, was an diesem Tage geschah. Gleichzeitig mit der Ankündigung des neuen Genossen erhielt Stella Antonowna den Befehl, mit dem Verpflegungsfahrzeug, das den schon vor seinem Eintreffen Unbeliebten brachte, zurückzukommen.
»Soll das etwa ein Austausch sein?« schrie die Bajda ins Telefon und rollte die schwarzen Augen. »Will man mir Stella wegnehmen? Die Beste, die es gibt?! Genossen, ich protestiere! Ja, ich werde bis zum Genossen General Konjew fahren! Ich selbst! Was hat man mit uns vor? Sind wir eine Elite-Einheit oder ein Verschiebebahnhof?!«
Soja Valentinowna geriet in Fahrt
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