Frauenbataillon
Demetrius! Länger bei diesen Satansbraten, und ich wäre – sollte ich den Krieg überlebt haben – mit verkrüppelter Seele zurückgekehrt. 239 wilde Weiber – so hat noch niemand die wirkliche Hölle beschrieben …« Für ihn kam ein weiblicher Unteroffizier in die Abteilung Bajda und übernahm das Ressort Waffen und Geräte. Der Inspekteur beim Bataillon, dieser feige, hinterhältige Halunke, wich allen Begegnungen aus und verkehrte mit der Bajda nur per Feldtelefon. Nur wenn er sie nach hinten in sein Quartier beordert hatte, sprach er mit ihr persönlich. Vorn im Graben ließ er sich noch dreimal sehen, um danach jedesmal bleich zum Bataillonsstab zurückzukehren. Als er neue Einschränkungen verkündete, hatten sie ihn ungeniert bespuckt und an die Hose gegriffen, und als er gar fragte, warum jedes Mädchen zwei Büstenhalter haben wollte, sah er sich unversehens von einhundertdreiundzwanzig wilden Weibern umringt, die ihre Blusen aufrissen und ihm ihre nackten Brüste zeigten. Und die Bajda sagte triumphierend: »Muß ein Vaterlandsverteidiger so herumlaufen, wenn seine einzige Garnitur in der Wäsche ist?! Wir sind saubere Menschen, merken Sie sich das! Wir stinken nicht wie die Ziegen und wollen die Deutschen nicht mit unserem Geruch vergasen!«
Der Inspekteur hastete also jedesmal fluchtartig zurück und bewilligte alles, was man bei ihm mit derartigen Demonstrationen beantragt hatte.
Neben Ugarow war Sibirzew der einzige Mann, der nun unter den 230 Frauen – ihre genaue Zahl schwankte ständig aufgrund von Krankheiten, Urlaub oder Todesfällen – leben mußte. Die Mädchen dachten nicht daran, wegen eines einzigen Zipfelträgers ihr Leben zu ändern und benahmen sich deshalb so, als gäbe es Sibirzew gar nicht. So kam es vor, daß Bairam Wadimowitsch beim Betreten eines Bunkers auf eine Gruppe von Nackten traf, die sich schrubbten, herumlagen, lasen, handarbeiteten oder musizierten … Es war ja heiß in diesen Tagen, Uniform trugen nur noch die Mädchen, die gerade Dienst machten.
Man konnte sich diesen unmilitärischen Stil leisten, konnte in der Sonne liegen, weil ohnehin bekannt war, daß die Deutschen nicht angreifen würden.
Der Aufmarsch zu der großen Sommeroffensive der deutschen Armeen war noch nicht beendet.
Es kostete Sibirzew ungeheuere Überwindung, nicht ab und zu hinzulangen, wenn eine pralle Form wippend an ihm vorbeischwebte, aber er wußte, daß die Bajda nur auf so etwas wartete, um ihn mit einem dramatischen Tatbericht sofort abzuschieben. Und Leutnant Ugarow? Jedes Gespräch mit ihm wurde für Sibirzew zu einer Qual. Nicht ein einziges vernünftiges Wort fiel zwischen ihnen. Es gab nur Sticheleien, böse Blicke und verzerrte Lippen. Warum bloß, dachte Sibirzew betroffen. Was habe ich getan? Ich bin als braver Soldat abkommandiert worden, um ihnen zu helfen, serviere ihnen gleich zum Einstand zwei Deutsche, und wie dankt man es mir? Ich bin Luft für sie.
»Hören Sie, Genosse Leutnant«, hatte Sibirzew vorsichtig zu Ugarow gesagt, »wenn Sie denken, ich sähe zuviel, so ist das ein Irrtum! Ich sehe gar nichts! Man gehört zusammen, nur das zählt! Ich bin kein Spion der Division oder was Sie sonst noch denken mögen …«
Aber auch das war nun wieder falsch! Ugarow lief zu Soja Valentinowna und sagte voll Bitterkeit: »Ein schleimiger Hund ist er! Sagt, er sieht nichts … also sieht er etwas! Verdammt sei er!«
An diesem Tage aber machte Sibirzew eine wichtige Beobachtung. Am Rande des zerschossenen Dorfes erblickte er einen Mann! Und wenn etwas sicher war, so war es das: Außer Ugarow und ihm selbst gab es hier keine Männer mehr! Der Fremde sah sehr merkwürdig aus, so, als trage er statt eines Kopfes einen ausgestopften Strumpf über dem Hals. Sibirzew zögerte nicht, sondern legte sofort zum Schuß an. Aber da war der merkwürdige Mann schon wieder verschwunden. Sibirzew pirschte sich an die Stelle heran, suchte vorsichtig die Ruinen ab, lag wie ein Kater vor dem Mäuseloch geduldig und regungslos auf der Lauer – umsonst: Der Mann zeigte sich nicht mehr.
»Wir werden Streifen einführen!« sagte die Bajda, als Sibirzew ihr seine Beobachtung meldete. »Sind Sie sicher, daß es ein Mensch war, Bairam Wadimowitsch?«
»Bin ich ein Idiot?« fragte Sibirzew beleidigt zurück.
»Wer wagt das zu beurteilen?« fragte Ugarow zynisch zurück. »Na, wir werden sehen, was die nächsten Stunden bringen. Hier unter uns kann sich niemand aufhalten, ohne gesehen zu werden.
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