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Frauenbataillon

Frauenbataillon

Titel: Frauenbataillon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Stelle zurück, wo sie gelegen hatten, betrachtete den Boden und sah die Abdrücke seiner Stiefelabsätze. Er sah herumliegende Grasbüschel, die Stella in ihrer Leidenschaft herausgerissen haben mußte, und fand noch ein Stückchen Pflaster, das sie in der wilden Umarmung verloren hatte.
    Auf dem schmalen gelben Mullkissen klebte ihr Blut. Lange betrachtete er den Blutfleck, hob dann das Pflaster an seine Lippen, küßte es und steckte es in seinen ledernen Brustbeutel neben das Bild seiner Eltern. Es war ein gebräuntes, zerknittertes Foto, das den Studienrat für Erdkunde und Französisch, Friedrich-Wilhelm Hesslich, und seine Frau Wilhelmine am Kieselstrand von Nizza zeigte, im Hintergrund die Prachtbauten der Hotels am Boulevard d'Anglais. Das war damals etwas ganz Besonderes gewesen: Ein Studienrat, der sich zwei Wochen Nizza leisten konnte, zwei Wochen beim Erbfeind Frankreich. Und dabei lächelte er auch noch fröhlich in die Kamera, anstatt einen bitterbösen deutschen Blick hervorzukehren.
    Den ganzen Tag mußte Hesslich in seinem Waldversteck bleiben. Die Aktivität um ihn herum und vor allem die in der Luft machte ihn nachdenklich und unruhig zugleich. Noch nie hatte er in diesem Frontabschnitt so viele sowjetische Flugzeuge gesehen wie heute. Meistens blieben sie über dem eigenen Gebiet und in sehr großer Höhe, aber auch von dort aus ließen sich die deutschen Stellungen gut überblicken. Gegen Mittag brauste eine deutsche Jagdstaffel über den Donez und griff die sowjetischen Maschinen an, die Flak schoß eine halbe Stunde lang, doch gab es auf keiner Seite Verluste. Die sowjetischen Aufklärer setzten sich ab, und die deutschen Jäger kehrten zu ihrem Horst zurück.
    Die werden heilfroh sein, dachte Hesslich und blickte den abziehenden Maschinen nach. Die Luftwaffe des ›Dicken‹, wie Göring genannt wurde, lahmte überall. Zuwenig Sprit, große Verluste und unzureichender Nachschub, gegnerische Luftflotten, die zwar fliegerisch unterlegen, zahlenmäßig aber weit stärker waren … da war man immer glücklich, wenn sich bei einem Einsatz die Verluste in Grenzen hielten.
    Auf der anderen Seite des Waldes marschierten große Kolonnen und Panzer auf. Der Wind trug die Geräusche an Peter Hesslichs Ohr … Motorengrollen, Panzerkettenrasseln, ohne Unterbrechung bis zum Nachmittag. Dreimal mußte er in seinem Versteck volle Deckung nehmen, als zunächst zwei Batterien leichter Artillerie, dann eine Kolonne mit gepanzerten Mannschaftswagen und schließlich auch noch drei von Pferden gezogene Flakabteilungen am Waldrand vorbeifuhren. Noch lange hing der aufgewirbelte Staub in der heißen Luft, wehte in den Wald hinein, puderte die Blätter, machte das Durchatmen schwer.
    Wo bist du jetzt, Stella, dachte Hesslich. Was denkst du jetzt? Liegst du wieder am Donezufer und wartest auf deutsche Soldaten? Ich darf daran nicht denken, Stella, ich müßte verrückt werden. Wir lieben uns … und tags darauf liegst du auf der Lauer, um zu töten …
    Unsere Lage ist aussichtslos, weißt du das, Stella? Wir können das Schicksal nicht überlisten – es geht einfach nicht.
    Da ist die Erde nun so groß, und dennoch gibt es auf ihr keinen Platz für dich und mich! Wie soll man das begreifen! 510.000.000 Quadratkilometer umfaßt ihre Oberfläche, davon sind 149.000.000 Quadratkilometer festes Land. Aber für uns beide ist nicht ein einziger Quadratmeter frei. Wir dürfen uns nicht lieben, dürfen nicht leben, weil Hitler und Stalin es nicht wollen. Warum schreit die Menschheit nicht auf bei diesem Wahnsinn?!
    Stella Antonowna, mein neues Herz, wir sind geringer als der Staub, der auf mich niederschwebt, hat doch der Staub einen Platz, wo er liegenbleiben darf, und wir haben keinen …
    Bei Einbruch der Dunkelheit trat er den Rückweg an. Er nutzte das Kusselgelände aus, umschlich Stellungen leichter Artillerie und Werferbatterien, Werkstätten und Reserveeinheiten, Materiallager, Kommandostellen, Funktrupps und getarnte Panzer. Die auffallende Truppenmassierung machte ihn betroffen. Vor wenigen Tagen, als er herübergekommen war, hatte die Lage noch nicht so bedrohlich ausgesehen. Mitten in der Nacht erreichte er den kritischsten Abschnitt: Die flache Steppe vor dem Donezufer mit ihren zerstörten Bauerndörfern und ausgebrannten Scheunen und Schuppen. Der Boden war hier von Granaten durchlöchert, von Gräben zerteilt, und die Posten in den vorgeschobenen Stellungen waren dichter besetzt als am Tag seiner

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