Frauenbataillon
als die Verletzung ärgerte es sich darüber, daß das Essen ausgelaufen war.
Ugarow plumpste in den Trichter, rutschte die Wand herunter und landete neben dem Mädchen, das nicht zur Einheit gehörte. Obwohl die Frau eine dicke Steppjacke trug, sah man, daß sie groß und schlank war. Sie hatte die Pelzmütze abgenommen und wickelte gerade einen dicken Verband aus seiner Schutzhülle. Am Ansatz ihres schwarzen Haares begann der Schweiß zu kleinen Kristallen zu gefrieren. Große, dunkle Augen sahen Ugarow mißbilligend an.
»Sie Nilpferd!« sagte das schöne Mädchen. »Was spritzen Sie hier soviel Dreck herum! Sehen Sie nicht, daß jemand verletzt ist?!«
Ugarow war zu keiner Antwort fähig. Er starrte das Mädchen an und verzieh dem herrlichen Mund sogleich jedes Schimpfwort. Ihm wurde heiß unter dem Blick dieser schwarzglühenden Augen. Wortlos wandte er sich ab, sah sich um und entdeckte ein zweites unbekanntes Gesicht. Es war schmutzgrau, die Mütze war nach hinten gerutscht, eine Strähne hellblonder Haare fiel in die Stirn.
Das ist sie, durchfuhr es Ugarow. Das ist Stella Antonowna! Sie ist kleiner, als wir alle gedacht haben. Gerade mittelgroß. Wer sie so sieht, denkt sich: Na ja, ein unscheinbares Menschlein. Nicht jeder kann ein stolzer Schwan sein.
Ugarow trat auf sie zu, legte die Hand an den Helm und sagte mit jener vibrierenden Stimme, deren erotisierender Wirkung auf Mädchen er sich sicher war – selbst bei Soja Valentinowna, der erfahrenen Frau, hatte sie nicht versagt: »Stella Antonowna? Sie sind es, nicht wahr? Sofort habe ich Sie erkannt! Welch eine Unverschämtheit, daß der Feind Sie auf so unfreundliche Weise begrüßt.«
»Um ihm das abzugewöhnen, sind wir ja hier, Genosse Leutnant!« Ihre Stimme war hell und klar. Sie klingt, als habe man an eine Silberschale geschlagen, dachte Ugarow verzückt. Als jetzt eine andere dunklere und wärmere Stimme in seinem Nacken zu sprechen begann, zuckte er zusammen.
»Es ist schwer, den Krieg mit Männern zu gewinnen, denen das Gehirn ausgelaufen ist! Welche Funktion haben Sie, Genosse Leutnant?«
Ugarow drehte sich um. Das schöne schwarzhaarige Mädchen, dessen Anblick den Atem stocken ließ, putzte gerade an einem Mullknäuel ihre blutigen Hände ab. Auch ihr weißes Tarnzeug zeigte Blutflecken. Das verwundete Mädchen hockte am Trichterrand und trank in kleinen Zügen einen Becher Tee, in dem ein schmerzbetäubendes Mittel aufgelöst war.
»Ich bin der Verbindungsoffizier zwischen Frauensondereinheit und Regiment«, sagte Ugarow. Seine Stimme war belegt, als habe er zuviel Eiswasser getrunken.
»Sie haben uns also nichts zu befehlen?«
»Vor allem … zu beraten …«, stotterte Ugarow und wußte, daß sie ihn heillos in die Enge getrieben hatte.
»Dann wären Sie gut beraten, Genosse Leutnant, wenn Sie die verwundete Kameradin wegbrächten.« Sie hob den Kopf und hielt sogar, wie Ugarow beobachtete, den Atem an, als sie lauschte. »Der Artillerieüberfall ist vorbei. Wir bringen die Verwundete zurück zum Bataillonsverbandsplatz! Wenn wir uns beeilen, können wir beim Morgengrauen wieder in der Stellung sein!« Sie sah Ugarow mit feurigen Augen an. »Essen Sie gerne Fisch, Genosse?«
»Leidenschaftlich …«
»Dachte ich's mir doch! Sie haben den gleichen stupiden Ausdruck wie ein Dorsch!«
Die Mädchen kicherten, Ugarow bekam einen hellroten Kopf, schluckte alles herunter, was ihm in der Kehle brannte, ging zu der Verletzten und stützte sie beim Aufstehen. Sie gab einen piepsenden Laut von sich, aber dann lächelte sie tapfer.
So lernte Victor Iwanowitsch Ugarow die der Sondereinheit zugeteilte Ärztin Galina Ruslanowna Opalinskaja kennen. Und konnte natürlich nicht ahnen, daß mit der Opalinskaja eine Menge heißer Probleme auf die Mädchen zukam.
Die Begrüßung von Stella Antonowna durch Kapitän Bajda war kurz und – an dieser weiblichen Eigenheit änderte auch die Uniform nichts – voller skeptischer Neugier. Selbst erste Kritik fehlte nicht. Man gab sich die Hand, stellte einander vor, und Stella überreichte ihre Papiere, die Soja Valentinowna sogleich auf einen aus Knüppeln gezimmerten Tisch ablegte, ohne sie zu lesen. Sie wußte, was darin stand. Über das Feldtelefon hatte das Regiment die wesentlichen Informationen durchgegeben. Allerdings hatte man nicht erwähnt, wann Stella Antonowna in der HKL eintreffen würde. Allein schon diese Ausnahme verbitterte Soja. Wieso hatte sie Sonderrechte? Welcher mächtige
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