Freche Mädchen... 09: Liebe, Chaos, Klassenfahrt
zerfledderte Pop-Zeitschrift und blätterte sie interessiert durch. »Da steht doch gar nichts Schlimmes drin. Aber meine Mutter kriegt immer Zustände, wenn ich mir die mal kaufen will«, erzählte sie. »Hör mal, was hier steht: ›So kriegst du deinen Dreamboy. Tausend Tipps und Tricks für clevere Girls.‹ So was ist doch interessant!«
Mit lauter Stimme las sie mindestens zehn der tausend Tipps und Tricks vor, aber ich war einfach zu müde, um zuzuhören. Außerdem musste ich wieder an Papa und Natascha denken. Vielleicht war das ja die große Liebe zwischen den beiden und ich hatte gar keine Chance dagegen. Vor zwei Jahren hatte ich mich auch mal verliebt, aber es war bestimmt nicht die große Liebe gewesen, denn als er wegzog, hatte ich ihn bald vergessen. Aber mit Papa und seiner Neuen war das vielleicht ganz anders und …
»Hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Anke und warf die Zeitung auf den Sitz neben sich.
Der Fahrer grinste und meinte, ja, natürlich, er habe die ganze Zeit mit langen Ohren zugehört und er wolle mal seine Frau fragen, ob sie bei ihm auch solche Tricks angewendet habe. »Aber vielleicht steht in dem Blatt auch noch was über Autos, das interessiert mich ehrlich gesagt mehr«, fügte er hinzu. »Schnelle Autos, wenn ihr es genau wissen wollt. Meine Schwester hat einen italienischen Sportwagen, und was macht sie damit? Fährt zum Einkaufen und sonntags Kaffeetrinken! Und mich lässt sie natürlich nicht ans Steuer.« Er verzog den Mund. »Stattdessen muss ich mit dieser alten Kiste hier fahren. Aber wir sind gleich in Erdmannsweiler, und wenn ich mich nicht allzu sehr täusche, dann werden wir auch schon erwartet.«
Das stimmte allerdings. Die ganze Klasse, Herr Dannitzki und Natascha standen vor der Jugendherberge und lachten, als wir ausstiegen.
»Unsere verlorenen Töchter kehren heim. Eigentlich sollte man euch ja eine gewaltige Standpauke halten«, sagte Herr Dannitzki, aber seiner Stimme war die Erleichterung darüber, dass wir wieder gesund aufgetaucht waren, anzumerken. »Sollte noch irgendeine kleine Kleinigkeit mit euch sein, schicke ich euch postwendend nach Hause, auf Rechnung eurer Eltern. Habt ihr mich verstanden? Ihr glaubt doch nicht, dass ich mir wegen euch graue Haare wachsen lasse!«
»Danni wäre schon froh, wenn ihm überhaupt noch ein paar Haare wachsen würden, auch wenn es graue sind«, flüsterte Anke mir zu. »Wir versprechen Ihnen, Herr Dannitzki«, sagte sie laut, »dass wir uns hier keinen Meter von Ihnen entfernen werden.«
Danni zog eine entsetzte Grimasse und flüchtete in die Jugendherberge. Ich wollte gerade meine Sachen hineintragen, da entdeckte ich Natascha. Sie machte einen Schritt auf mich zu. Einen klitzekleinen Moment lang hatte ich Angst, sie würde mich in den Arm nehmen. Aber dann blieb sie stehen und sagte nur: »Ich hab mir ganz schön Sorgen um dich gemacht.«
Am liebsten hätte ich gesagt: »Na und? Wenn ich nicht mehr aufgetaucht wäre, hättest du Papa bestimmt ganz schnell für dich allein gehabt.« Aber ich war zu müde für einen Streit. Außerdem stand die halbe Klasse dabei und denen wollte ich kein Schauspiel liefern. Ich zuckte nur mit den Schultern und wandte mich um.
Für Anke und mich war das mickrigste Zimmer übrig geblieben, mit einem Stockbett, das bedenklich wackelte, und einem Zustellbett. Das untere Bett war bereits bezogen.
»Und wer schläft hier? Wem gehört dieses Kuscheltier?«, fragte Anke und deutete auf den Plüschhasen, der auf dem unteren Bett lag. »Wenn wir Tina im Zimmer haben, dann fahre ich sofort nach Berlin, das schwöre ich dir.«
»Ich auch, Anke, das kannst du mir glauben«, versicherte ich und meinte es in diesem Moment ganz ehrlich.
Aber wir hatten noch mal Glück gehabt. Stefanie betrat das Zimmer. Verlegen steckte sie den Hasen unter die Bettdecke. »Danni hat einen Diavortrag über die Gegend hier vorbereitet«, erklärte sie. »Und er wird stocksauer, wenn nicht in drei Minuten alle unten sind.«
»Diavortrag«, stöhnte Anke. »Diavortrag ist das Schlimmste, was es gibt.«
Wir schauten uns ungefähr das dreihundertsechsundzwanzigste Dia an, da gongte es zum Mittagessen.
»Eintopf«, verkündete Andrea und verdrehte die Augen, »stellt euch vor, es gibt Eintopf. Hab ich vorhin am Schwarzen Brett gelesen.«
Herr Dannitzki sah sie strafend an. »Was ist denn an Eintopf so schlimm? Einen guten Eintopf zu machen ist eine echte Kunst. Meine Frau sagt immer, in einen Eintopf
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