Frederica - sTdH 6
und entsprach der neuesten Mode, da es am Oberteil aufwendig verziert war
und am Saum in vier üppige Volants auslief. Aber die blaßlila Farbe des Kleides
schmeichelte Frederica gar nicht.
Frederica
wartete, bis das Teetablett hereingebracht war, bevor sie ihn höflich fragte,
wie es ihm ging.
»Sehr gut,
Miß Armitage«, antwortete der Herzog mit übereinandergeschlagenen Beinen und
musterte sie neugierig. »Ich habe mich schon gefragt, ob Sie mich nicht mehr
mögen. Ich bin zweimal hiergewesen und wurde jedesmal abgewiesen.«
»Ich
verstehe nicht, warum«, sagte Frederica. »Ich habe damit nichts zu tun. Ich
hätte nicht gedacht, daß Herzöge irgendwo abgewiesen werden.«
»Wo ist
Lady Godolphin?«
»Mylady
nimmt ein Bad.«
»Sie erstaunen
mich. Ist das die erste Saison, die Sie mitmachen?«
»Ja-a«,
antwortete Frederica unsicher. »Ich bin ein bißchen angestrengt. Wir gehen auf
viele Bälle und Gesellschaften. Und allmählich glaube ich, daß arrangierte
Ehen vielleicht eine ganz gute Sache sind.«
»Ach,
wirklich! Aber auf die Art und Weise können Sie mit einem Mann zusammenkommen,
der Ihnen nicht gefällt.«
»Es kann
schon sein, daß dieser Mann mein Herz nicht gerade schneller schlagen läßt«,
sagte Frederica. »Aber das ist so, wissen Sie ... wir Frauen heiraten eben
irgend jemanden. Nur sehr, sehr reiche Familien können sich mehr als eine
Saison leisten.«
»Bei den
zahlreichen Gentlemen, die Sie umschwärmen, bin ich sicher, daß Sie sich
mindestens zu einem hingezogen fühlen.«
»Vielleicht.
Es geht nicht wie in den Büchern zu, nicht wahr?« Frederica kicherte. »Ich kann
mir nicht vorstellen, daß jemand beim Anblick von mir vor Leidenschaft erbleicht.«
Er zog
unvermittelt die Stirn in Falten, und Frederica überlegte, ob sie ihn beleidigt
habe. Aber der Herzog erinnerte sich an den einen Kuß. Er hatte nie zuvor
etwas Derartiges erlebt. Wenn er sich nur beweisen könnte, daß seine starken
Gefühle durch die sonderbare Situation, in der er sich befand, erregt worden
waren.
Sein Blick
fiel auf ihren Mund. Er war sehr schön geschnitten. Ein erstaunliches Mädchen!
Im ganzen gesehen war sie überhaupt nicht attraktiv, aber wenn man sie genau
anschaute, entdeckte man viel Schönes an ihr.
Ihre großen
Augen waren sehr ausdrucksvoll, ihre Fesseln zierlich und ihre Bewegungen
graziös.
»Nein«,
antwortete er. »Ich habe mich nur gefragt, ob Sie vorhaben, mir etwas von dem
Tee anzubieten.«
Frederica
errötete. Eilig goß sie Tee in die Tassen und bot Kekse an. Sie zerbrach sich
den Kopf, was sie sagen könnte. Der Salon war geräumig, aber sie hatte den
Eindruck, er sei klein und stickig und mit Elektrizität aufgeladen, so als ob
bald ein Gewitter losbrechen würde.
»Ich
glaube, das Schönste, was ich bisher unternommen habe«, sagte sie, »war ein
Ausflug in den Hyde Park. Die Hirsche sind so zahm, daß man ihre Geweihe
streicheln kann. Es war beinahe, als ob ich wieder auf dem Land wäre. Oh, ich
weiß, daß es als rückständig gilt, das Land zu bevorzugen, aber in London fühlt
man sich so eingesperrt. So viele Gebäude und so viele Tabus.«
»Tabus?«
»Ja, all
die Leute, die man nicht beachten darf, und all die Orte, die eine Dame nicht
aufsuchen darf, wie St. James Street und Bond Street. Es ist verboten, seine
Gefühle zu sehr zu zeigen, zu lachen oder zu weinen. Neulich abends fand ich
die Oper wirklich ergreifend und mußte weinen. Da war sogar Lady Godolphin
entsetzt, und das will etwas heißen.«
»Mißachten
Sie die Konventionen nicht.« Er lächelte. »In gewisser Weise dienen sie Ihnen
als Schutz. Sie bewahren eine junge Dame vor allzu herzlichen Aufmerksamkeiten
von seiten ihrer Verehrer.«
Frederica
seufzte: »Mich befriedigt diese Art zu leben nicht. Ich habe es genossen, als
Kammermädchen zu arbeiten.«
»Meine
liebe Miß Armitage, bitte sagen Sie nicht solche Sachen. Die Tatsache, daß Sie
ein Kammermädchen waren, hätte beinahe zu Ihrem gesellschaftlichen Ruin
geführt.«
»Und wenn
der Herzog von Pembury im Almack nicht so ritterlich zu mir gewesen wäre, dann
hätte mich die Gesellschaft bestimmt noch nicht wieder in Gnaden aufgenommen.
Ich habe einen Brief von meiner Schwester Diana, Lady Dantrey, erhalten. Sie
schreibt mir, daß die Probleme zu Hause, die mich so bedrückt haben, gelöst
sind. Ich bin froh darüber, aber andererseits bedeutet es für mich eine große
Versuchung, mich hier als Niete zu erweisen, so daß ich wieder nach Hause
Weitere Kostenlose Bücher