Frederikes Hoellenfahrt
Isabell. Kain hatte recht, Catwoman und Superman mussten endlich Forderungen stellen, dann wäre dieser Alptraum vielleicht schneller zu Ende.
Isabell krampfte und krümmte sich. Ihre Augen blieben geschlossen. Frederike schob ihr die Haare aus der Stirn. »Bleib ruhig, mein Kind, sei ruhig. Wir holen Hilfe. Sie kommt gleich.« Und zu den Gangstern gewandt: »Sagt endlich, was ihr wollt. Die Polizei wird eure Forderungen erfüllen.« Zumindest hoffte das Frederike. Doch zuerst mussten sie Isabell hier heraushelfen. Sie starb sonst unter ihren Händen. »Kommen Sie her!«, rief Frederike zum Opa. »Das Mädchen verlassen die Kräfte!« Frederike schob dem alten Mann Isabell in die Arme, dann klinkte sie an der verschlossenen Tür. Catwoman verstand nicht. »Die Schlüssel, schnell!«
Er warf sie zu ihr durch den Raum.
Superman schrie: »Fünf Millionen, ein Auto und freies Geleit.«
»Fünf Millionen, ein Auto und freies Geleit. Haben Sie das verstanden?«, fragte Frederike den Opa.
Der Alte nickte und fasste Isabell unter den Achseln. Schweiß stand ihm auf der Stirn, er keuchte wie bei einem asthmatischen Anfall. Frederike suchte den passenden Schlüssel. Der Opa zog Isabell durch die Tür. Das Licht der Straße blendete Frederike. Zwei Schritte und sie wäre in Sicherheit, schoss es ihr durch den Kopf. Sie sah ihre Gäste liegen. Sie sah auf Kain, und der nickte.
»Hau ab! Frederike, hau ab!«
0:20
Sie gab den Befehl nicht sofort. Agnes Schabowski wartete ab. Keiner wusste, ob das ein Hinterhalt war. Die Einsatzkräfte harrten und schauten aus jedem Blickwinkel. Der alte Mann zog die Frau auf den Fußweg und lehnte sie an die poröse Hauswand. Die Bewusstlose kippte und schlug mit dem Kopf fast auf das Pflaster. Ihre blaue Bluse war blutverschmiert, Blut tropfte ihr aus Nase und Mund. Die Tür des Waschsalons wurde wieder geschlossen. Wahrscheinlich stand der Mann mit Pistole dahinter. Kein Blick war in den Innenraum möglich. Die Frau auf dem Bürgersteig bewegte sich nicht. Schabowski gab den medizinischen Rettern endlich das Zeichen.
»So schnell wie möglich die Diagnose an mich.« Der Arzt nickte und stürmte über die Straße, ihm folgten zwei Sanitäter mit Trage. Sie knieten sofort und leiteten Erste-Hilfe-Maßnahmen ein. Sie verstanden sich beinahe wortlos.
Der Alte stand daneben genau vorm Fenster des Cafés und zitterte. Die wenigen Haare waren gefärbt und hingen ihm wirr in die Stirn und glänzten künstlich im Straßenlicht. Schabowski bat Michalk, eine Decke zu holen. Sie ging auf den Mann zu. Der hatte mit Sicherheit die fünfundsechzig überschritten, trug Jeans und bemühte sich um ein jugendliches Aussehen. Der Schal verdeckte die Falten am Hals. Die Hände hatte er unter seine Jacke geschoben. Siebzig, vielleicht noch darüber. Faltenfrei frisches Aussehen war kein Privileg der Jugend. Mit Schrecken sah die Kommissarin aufgespritzte Gesichter von Stars, deren Augen, Lippen und Nasen sich ein Comiczeichner nicht hätte besser ausdenken können. Der Alte öffnete seine Lippen. Die Zähne funkelten weiß. Er lächelte, die Kommissarin hoffte, nicht über sie.
»Kommen Sie, ich habe ein Plätzchen im Warmen.« Weder war es kalt, noch stand Schabowski eine gemütliche Sitzgelegenheit zur Verfügung. Für die Besprechungen im engsten Kreis zog man sich in einen Kleinbus zurück. Sie würde anordnen, die nächstliegende Bar oder eine Wohnung für die notwendigen Zeugengespräche zu räumen. Agnes Schabowski reichte dem Alten die Hand, er umfasste sie mit erstaunlichem Druck. Die Kommissarin hörte seine Knochen, sie spürte sein Zittern. Die Haut fühlte sich an wie Pergament. Sie führte den Zeugen sehr behutsam.
»Sie bekommen erst mal einen Tee. Der wärmt durch und beruhigt.« Schabowski hoffte, dass Michalk den auftreiben konnte. Der Alte stützte sich auf sie, so dass Agnes Schabowski glaubte, ihn tragen zu müssen. Ein Uniformierter schob die Bustür auf. Sie setzte den Alten auf das Polster der Sitzbank und nahm ihm gegenüber Platz. Auch den Uniformierten bat sie um Tee. Der nickte und zog die Tür zur Hälfte zurück, beließ ihr den Blick auf den Eingang zum Waschsalon. Dann war der Kollege verschwunden.
»Wie geht es Ihnen?«
»Ich habe Angst, dass meine Schülerinnen da drinnen sterben.«
»Sie sind Lehrer?«
»Ich war. An der Musikschule habe ich unterrichtet. Jahrzehntelang: Harfe. Ich habe mit meinen letzten Absolventinnen ihren erfolgreichen Abschluss gefeiert. Ich
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