FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
lassen.«
»Ja, das hat er, aber mein Vater sagt, die Schweden seien nach der Eroberung von Frankfurt an der Oder in einem solch desolaten Zustand, dass sie nicht weitermarschieren wollen. Sie werden uns also nicht gegen Tilly helfen. Und auch wenn sie es wollten, sie können es augenblicklich nicht.«
»Und was nun? Will der Rat kapitulieren und Tilly die Tore öffnen?«
Anneliese zuckte mit den Schultern.
»Die Herren da oben haben jedenfalls stundenlang beraten, aber wieder keinen Beschluss gefasst, sagt mein Vater. Die schwedischen Abgesandten haben sich jedenfalls gegen eine Übergabe der Stadt ausgesprochen.«
Sie saßen beide auf einer Bank im Hof der Druckerei. Benno wollte sich nach dem Fechtunterricht noch ein wenig ausruhen, und Anneliese schien froh darüber, dass sie ihm Gesellschaft leisten konnte.
Die letzten Fechtstunden waren härter als sonst gewesen. Carl-Ulrich Stetter versuchte schon seit einigen Tagen, seinem Schüler beizubringen, wie man sich in Straßenkämpfen gegen mehrere Gegner verteidigt. Bennos Gedanken wanderten zurück, um sich alles noch einmal in Erinnerung zu bringen.
»Zwischen einem Duell zweier Männer und einer Schlacht ist ein himmelweiter Unterschied«, sagte sein Lehrer. »Wenn du auf einen Feind triffst, der dich umbringen will, darfst du nicht kämpfen. Wenn du mit ihm kämpfst, wird er dich irgendwann treffen und verletzen, und solche Verletzungen enden meistens tödlich. – Pass auf, ich zeig dir was.«
Der Druckermeister zog ein kurzes Messer aus seinem Gürtel und ging zu einem Rinderschinken hinüber, der an der Hauswand hing. Benno hatte sich schon gewundert, warum das Fleisch dort an einem Strick baumelte. Blitzschnell schlug sein Fechtlehrer die Klinge durch den Schinken.
»Da, sieh, was schon ein kleines Messer anrichtet«, sagte er dann und bog die Schnittstelle auseinander.
Durch das Fleisch zog sich ein Schnitt, der etwa eine Handbreit tief war.
Benno staunte.
»Wenn das dein Bauch gewesen wäre, dann könnte auch ein Medikus dich nicht mehr retten. Und das war, wie schon gesagt, nur ein Messer! Also hüte dich davor, von einem Schwert getroffen zu werden!«
Benno schluckte. Der Fechtunterricht war für ihn bisher nur ein spannender Zeitvertreib gewesen. Nun schien es todernst zu werden.
»Wenn du also von einem Gegner angegriffen wirst, solltest du sofort zuschlagen. Der erste Schlag entscheidet meistens, und der Schnellere ist oft Sieger. Wenn du aber fechtest, wirst du wahrscheinlich verlieren, erst recht, wenn die Kumpanen des Angreifers dir in den Rücken fallen. Bei einem Kampf auf Tod und Leben gibt es keine Fairness.«
Die Worte seines Lehrers klangen ihm noch in den Ohren, während er mit Anneliese auf der Bank saß. Es war klar, dass Carl-Ulrich Stetter ihn auf das vorbereiten wollte, was die Magdeburger wohl bald erwartete: Beutegierige Söldner in den Straßen, die alles niederschlugen, was sich ihnen in den Weg stellte.
Am besten, er würde mit Rosa und ihrem Vater schon heute Nacht fliehen! Doch was war mit Anneliese und ihrer Familie? Er hatte die Stetters ins Herz geschlossen, und Anneliese lag ihm besonders am Herzen. Das musste er sich eingestehen.
»Ich weiß jetzt, wie der Kerl heißt«, riss Anneliese ihn aus seinen verwirrten Gefühlen.
»Was meinst du? Welcher Kerl?«
»Na, diesen Mann, den du und die Tochter des Gerbers immer den Schlaksigen nennen.«
»Du kennst ihn?«, wunderte sich Benno.
»Nein, natürlich nicht, aber ich weiß jetzt, wer er ist«, antwortete ihm Anneliese. »Ich habe mich nämlich umgehört. Der Mann trug doch einen speckigen Lederwams und Pluderhose, hatte dünne braune Haare, und seine Haut war blass und großporig, nicht wahr?«
Benno nickte: »Ja, so hat Rosa ihn beschrieben.«
»Das muss Kuno Lederer sein«, erklärte Anneliese, »ein richtiger Halunke und Gauner, der zu jeder Schandtat bereit ist. Er hätte schon längst am Galgen baumeln müssen, aber irgendwie ist er immer davongekommen. Man munkelt, dass er schon so manchen Kaufmann auf dem Gewissen hat. Er soll früher ein Söldner gewesen sein.«
»Aha«, sagte Benno, »dann hat sich Rosa nicht in ihren Ahnungen getäuscht. Ihr Frauen spürt ja meistens sofort, was mit einem Kerl los ist. Wir Männer brauchen da eher Fakten, Tatsachen und Beweise, ehe wir ein Urteil fällen.«
»Nun, Gefühle können täuschen«, lächelte Anneliese und streichelte seinen Arm, »deshalb ist es gut, wenn wir uns ergänzen. – Übrigens, nicht nur
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