FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
deine Rosa hat ihn zusammen mit Bernhard von Absberg gesehen. Auch mein Vater hat die beiden überrascht, wie sie miteinander getuschelt haben.«
Benno tat so, als hätte er das »deine Rosa« überhört. Er hielt es für klüger. Entweder war es Anneliese nur so herausgerutscht oder sie wollte auf den Busch klopfen, um herauszufinden, wie eng er mit der Gerberstochter schon befreundet war.
»Dann stimmt es also, dass die beiden irgendetwas aushecken!«, dachte Benno laut. »Ein Jesuit, wie Berta Emmerich sagt, und ein Galgenvogel. Die führen bestimmt nichts Gutes im Schilde!«
»Was ist, wenn sie mit Tilly im Bunde sind?«
»Das könnte es sein, Anneliese! Das könnte es tatsächlich sein. Und wenn es so ist, dann haben sie bestimmt irgendeine Schweinerei vor, um die Stadt den Kaiserlichen in die Hände zu spielen.«
»Wir sollten sie beschatten, um es herauszufinden, Benno.«
»Ich möchte aber nicht, dass du dich in Gefahr begibst. Ich könnte nicht damit leben, wenn meiner besten Freundin etwas zustoßen würde. Beide Männer halte ich nämlich für äußerst gefährlich.«
Benno wusste, dass er mit seinen fürsorglichen Worten ihr Herz erreicht hatte. Anneliese neigte sich plötzlich ihm zu und gab ihm einen flüchtigen, aber zarten Kuss auf die Wange. Dann lächelte sie ihn so lieb an, dass er seine Augen nicht mehr von ihr abwenden konnte.
Was hatte er da gesagt? »Meine beste Freundin«! War Anneliese das tatsächlich? Was aber bedeutete dann Rosa für ihn? Er konnte es nicht sagen, und er wollte auch nicht darüber nachdenken – jetzt, wo er neben dieser bezaubernden jungen Frau saß.
16.
»Hallo Rosa, mein Schatz.«
Die helle Stimme riss sie aus ihren Gedanken. Sie blickte zur Ruine der Dombrauerei hinüber. Zwei Jungen spielten dort in den Trümmern. Sie waren mit Speeren und Holzschwertern bewaffnet. Einer von ihnen winkte ihr zu. Es war Conrad Friese, der jüngste Sohn des Stadtschreibers.
»Na, was spielt ihr da?«, fragte Rosa die beiden, ohne auf Conrads Anspielung einzugehen. Er war eben noch ein achtjähriges Kind und hatte solche Rufe nur von den unreifen Jugendlichen der Stadt aufgeschnappt. Das musste man nicht ernst nehmen.
»Wir sind die Wächter der Jungfrau von Magdeburg und schützen ihren Kranz«, antwortete ihr Michi, der Sohn des Schmieds.
»Was seid ihr?«
»Die Wächter der Jungfrau von Magdeburg«, wiederholte der Junge und grinste über das ganze Gesicht.
»Soso, die Wächter der Jungfrau.«
»Du bist die Jungfrau von Magdeburg«, erklärte ihr nun Conrad. »Wir schützen dich, und wehe, wenn dir jemand zu nahe kommt. Dann gibt es Saures!«
Er schwang sein Holzschwert und stach dabei gleichzeitig mit seiner Lanze einem imaginären Gegner in den Bauch.
»Genau!«, bestätigte ihn Michi. »Auch wenn dein Advokat sich an dir vergreifen will, werden wir deinen Kranz schützen. Denn erst wird geheiratet und dann geknutscht. So sagt es der Pfarrer.«
Rosa lachte, dass ihre Zähne im Sonnenlicht blitzten: »Ich bin doch nicht die Jungfrau von Magdeburg, Jungs. Ich bin doch nur die Tochter des Gerbers.«
»Doch, das bist du«, sagte Conrad, »deshalb passen wir auf, dass dich dieser Rumtreiber nicht angrapscht.«
»Welcher Rumtreiber?«, fragte ihn Rosa.
»Na, dieser heruntergekommene Dreckfink mit dem Gaunergesicht. Kuno heißt er. Der glotzt dir immer hinterher, als wollte er was von dir. Aber wir passen auf! Wenn der frech wird, kriegt er eins auf die Rübe!«
Rosa war erschrocken, doch sie ließ sich nichts anmerken. Ganz klar, Conrad meinte den Schlaksigen. Sie hatte diesen Kerl in den letzten Tagen nicht gesehen, aber den Jungen war wohl aufgefallen, dass er hinter ihr herspionierte.
›Kuno‹ hieß er also. Sie musste mehr über ihn herausfinden. Irgendwie steckte er mit Bernhard von Absberg unter einer Decke und wahrscheinlich auch mit dem Emmerich-Phantom.
»Von dem haltet euch lieber fern«, warnte sie die Jungen, »das ist ein ganz schräger Vogel.«
»Wir hauen ihn in Stücke!«, protzte Michi und zerhackte die Luft mit seinem Schwert.
»Ja, genau, wir machen Kleinholz aus ihm«, stimmte Conrad seinem Freund zu.
»Nein, nein, haltet lieber Abstand von ihm. Nicht, dass er euch mit Typhus, Pest und Cholera ansteckt.«
Das wirkte. Nun blickten die beiden Achtjährigen nicht mehr so todesmutig von den Trümmern auf Rosa herab. Typhus, Pest und Cholera waren Feinde, die man nicht mit dem Schwert bekämpfen konnte. Von solchen Kranken hielt man sich
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