FreeBook Das Laecheln der Gerberstochter
hatte das Gefühl zu fallen. Immer nur zu fallen.«
Benno küsste ihr die Tränen vom Gesicht und drückte sie wieder fest und doch sanft an sich.
»Sie haben auch die Neustadt angezündet«, sagte er schließlich.
»Ich weiß, ich habe es von oben gesehen«, erwiderte Rosa.
»Der Südwind hat aber verhindert, dass die ganze Vorstadt in Flammen aufging«, erzählte Benno weiter. »Inzwischen sind schon katholische Truppen in die Neustadt eingezogen und haben angefangen, das Feuer zu löschen.«
»Sie löschen das Feuer?«
»Ja, Rosa, so können sie in den Häusern Stellung beziehen. Das ist leichter, als sich über ein Aschefeld an die Mauer der Altstadt heranarbeiten zu müssen. Man sagt, es seien schon fast 2000 Mann in der Neustadt. Sie stellen Kanonen auf, um Magdeburg von dort aus zu beschießen. Ich sag dir, die werden heute noch damit beginnen. Aber unsere Leute haben inzwischen auf dem Pfortenturm schwere Geschütze aufgestellt, um die Kaiserlichen von oben zusammenzuschießen.«
»Ach, wie schrecklich das alles ist«, seufzte Rosa. »Von allen Seiten sind wir von den kaiserlichen Truppen eingeschlossen, sodass wir keinen Schritt nach draußen machen können. Haus und Hof haben wir verloren und viele Menschen sind schon ums Leben gekommen. Hätten die Stadtväter sich nicht mit dem Kaiser einigen können?«
»Ja, das hätten sie können«, nickte Benno. »Tilly hat sie sogar schriftlich zur Kapitulation aufgefordert, aber die einen sind durch die Fanatiker von St. Ulrich aufgestachelt worden und lassen sich nicht überzeugen, die anderen hören nur auf Dietrich von Falkenberg, der ihnen Hoffnung auf das rechtzeitige Eintreffen von Gustav Adolf und den Schweden macht, und die dritte Gruppe kann sich einfach nicht entscheiden. Alle aber haben sie Angst, dass Tilly sie schröpfen wird, wenn sie die Tore öffnen. Sie sind eher bereit, ihr Leben aufs Spiel zu setzen, als ihren Geldsack zu verlieren.«
Rosa spürte die bittere Ironie in Bennos Worten.
»Aber Leben ist doch wichtiger als Dukaten«, warf sie ein.
»Sag das denen mal. Sie werden es nicht verstehen«, gab Benno zurück. »Es sind Kaufleute.«
14.
Gilbert de Spaignart, der Hauptprediger von St. Ulrich, hielt am darauffolgenden Sonntag die Predigt in seiner Kirche. Er hatte sich zum Sprecher der fanatischen Rechtgläubigen in Magdeburg gemacht. Ein Jahr zuvor war er in den Sturz des als zu liberal geltenden Rates verwickelt gewesen und hatte auch bei der Änderung der Stadtverfassung seine Finger mit im Spiel gehabt.
Zusammen mit Andreas Cramer, Pfarrer von St. Johannis, unterstützte er den schwedischen Stadtkommandanten Dietrich von Falkenberg mit allen seinen Kräften und kämpfte mit seinen Predigten gegen eine Kapitulation der Stadt.
Die Stimmung der Gottesdienstbesucher war beinahe euphorisch, und das war auch kein Wunder. Die schweren Geschütze auf dem Pfortenturm hatten seit Donnerstagnachmittag viele kaiserliche Soldaten getötet. Gegen die von oben in die Gassen der Neustadt geschossenen Splitterkugeln konnten sich die anrückenden Söldner nur schwer schützen. Deswegen war jeder weitere Vormarsch durch Feldmarschall Pappenheim abgeblasen worden.
Nachts hatte Tilly dann Feuerkugeln in die Stadt schießen lassen, doch sie hatten keinen großen Schaden angerichtet, weil die Bewohner aufflackernde Brände sofort löschen konnten.
Diese Brandkugeln bestanden aus einem starken Eisendrahtgeflecht, das mit in flüssiges Pech getauchtem Leinen überzogen und mit Salpeter, Schwefel, Mehlpulver, Kolophonium und Pech gefüllt worden war. Schließlich schwiegen die Kanonen und Mörser, und auch den Samstag über hatten die Magdeburger Ruhe gehabt. Viele von ihnen waren deshalb der Überzeugung, die Truppen des Kaisers so lange aufhalten zu können, bis der Schwedenkönig eingetroffen war. Darin wurden sie von Gilbert de Spaignart wortgewaltig unterstützt und bestärkt.
Benno und Rosa hatten sich entschlossen, diesmal seinen Gottesdienst zu besuchen, um Bernhard von Absberg zu beobachten. Nachdem Berta Emmerich ihn als Jesuiten bezeichnet hatte, und ihnen dies anfangs auch sehr plausibel erschien, waren ihnen am nächsten Tag Zweifel gekommen. Konnte es nicht sein, dass die Kaufmannswitwe sie frech belogen hatte, um von sich abzulenken? Ja, das konnte sein!
Auf jeden Fall wollten sie dem Ratsherrn nicht unrecht tun und sich noch weniger von der Witwe hinters Licht führen lassen. Sie trauten Berta Emmerich nicht über den Weg. Also
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