FreeBook Dr Westerwelle - Die erste offizielle Guidografie
Vogelweide, Lyriker, Würzburg »Sie wählen Kön’ge, ordnen Recht
und unterscheiden Herrn und Knecht.
So weh dir, deutschem Lande,
wie ziemet dir die Schande,
dass nun die Mücke hat ihr Haupt,
und du der Ehren bist beraubt!«
Selbst eine eindringliche Warnung vor Schwarz-Gelb seitens der Bonner Imkerei »Honighäuschen« auf ihrer Internetseite kann bei der Bundestagswahl 2009 die Katastrophe nicht verhindern. Am Abend des 27 . September kennzeichnet das Grinsen des weltgrößten Honigkuchenpferdes Westerwelles Gesicht. Er hat es geschafft. Eine unerklärliche Mehrheit in Deutschland hat Mutter Merkel und Söhnchen Guido an die Macht verholfen. Guidos süßer Traum geht in Erfüllung – er soll Außenminister werden. Von nun an, so seine Annahme, wird ihn der Amtsbonus zu einem der beliebtesten Deutschen machen, er wird um den Globus reisen, fremde Länder sehen und mit seinen Weisheiten die Großen der Welt beglücken. Seinem Parteivolk, das ihn mit »Guido, Guido« hochleben lässt, gelobt der Wahlgewinner wider seine Natur »auf dem Teppich zu bleiben«. Gleichzeitig spricht er schon am Abend des Triumphes die erste versteckte Drohung aus: »Jetzt geht die Arbeit erst richtig los.« Was er damit meint, stellt sich schnell heraus.
Denn vor den erhebenden Würden des Amtes sind noch ein paar Formalitäten zu erledigen, die sich im politischen Geschäft Koalitionsverhandlungen nennen. Die landläufige Übersetzung des Fachbegriffs lautet Postengeschacher. Es ist die Zeit, in der alle von Inhalten reden und dabei Personen meinen. Um den ersehnten Posten nicht zu gefährden, stellt Guido gleich zu Beginn der Verhandlungen fest: »Das komplette Programm der Union ist verhandelbar, und das komplette Programm der FDP ist verhandelbar.« Nach drei Wochen intensiven Verhandelns haben gute Christen und Liberale 12 4 Seiten Papier mit ihren wegweisenden Ideen gefüllt. »Wachstum. Bildung. Zusammenhalt.«, schreiben sie über das Ganze und klopfen sich gegenseitig auf die Schulter. Guido bläst dazu noch richtig die Backen auf, wie man das eben als alter Auf-dem-Teppich-Bleiber so macht und erklärt: »Deutschland wird von der Mitte aus regiert, von einer Koalition der Mitte. Und die Ränder haben in dieser Republik nichts zu sagen.« Es muss für den zeitlebens Zukurzgekommenen eine besondere Genugtuung sein, endlich einmal amtlich feststellen zu können, wer Mitte und wer Rand ist. Und damit am Rand gleich gar keine Missverständnisse aufkommen, hat man sich in der Mitte ein paar feine Sachen ausgedacht.
Um »Motivation und Leistungsbereitschaft« zu steigern, ist eine Ausweitung befristeter Beschäftigungsverhältnisse zukünftig ohne besonderen Grund möglich. Mindestlöhne soll es hingegen nicht geben, obwohl sich mittlerweile schon verrufene Arbeitgeber wie die Discounter-Kette LIDL dafür aussprechen. Im Gesundheitssystem will die Regierung auf eine so genannte Kopfpauschale umstellen. Wer besser verdient als andere, muss dann trotzdem nicht mehr bezahlen. Und wo man gerade dabei ist, befreit man die Unternehmen auch von den zukünftigen Kostensteigerungen bei der Krankenversicherung. Den solchermaßen Motivierten verspricht die neue Regierung dann noch einen »Schutzschirm für Arbeitnehmer«. Man mag sich gar nicht ausmalen müssen, was da an Schutz auf einen zukommt. Möglicherweise bekommen die Jobcenter der Arbeitsagentur verlängerte Vordächer, damit man ganz hinten in der Schlange bei Regen nicht nass wird.
Und noch mehr praktische Ansätze hat die Regierung auf Lager. So soll in Zukunft jeder die Möglichkeit haben, »ohne Papierbelege mit den Finanzämtern zu kommunizieren«. Offensichtlich hat Guido Graham Bell am Rande der Koalitionsverhandlungen gleich noch eine Apparatur erfunden, die man Fernsprecher nennt. Und eine Welt voll Kommunikation ist doch auch schon mal was wert. Heute schon den freundlichen Finanzbeamten angerufen? Oder im Internet mit ihm gechattet? Vielleicht wird ja ein Volkssport daraus, mit erster und zweiter Liga und einer nationalen Meisterschaft. Sat.1 legt dazu die Sendung »Steuertalk im Turm« auf. Gastgeber ist der ehemalige Postchef Klaus Zumwinkel, der erklärt, wie er einst selbst aus einer Notsituation heraus etwas zu wenig mit den Finanzbehörden kommuniziert hat. Und das Ganze wird gekrönt von Guidos wöchentlicher Steuersenkungsbilanz zur besten Sendezeit. Denn das ist nach wie vor eines seiner wichtigsten Themen. Guido in der Verantwortung will das viele Geld gar
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