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freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman

Titel: freeBooks Thor - Die Asgard-Saga Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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schnellen Schritten los, dass er schon an seiner Mutter – die er nicht eines Blickes würdigte – vorbei war, bis Thor ihn eingeholt hatte. Urd wirkte erschrocken, irritiert und ein bisschen verlegen zugleich, doch Thor bedeutete ihr nur mit einem stummen Blick, ihren Weg fortzusetzen.
    Er brach das Schweigen erst, als sie das Dorf verlassen und sich schon gute zwei oder drei Dutzend Schritte davon entfernt hatten und nur noch die verschneiten Felder vor ihnen lagen und weit dahinter die himmelstürmenden Flanken der Berge.
    »Ich wollte mit dir über deinen Vater sprechen, Lif«, begann er. »Und über deine Mutter. Was sie und ich –«
    »Ich weiß, was ihr getan habt«, unterbrach ihn Lif scharf. »Ich bin nicht dumm.«
    »Das weiß ich«, antwortete Thor. Er musste jetzt sehr vorsichtig sein. Wenn er Lif verlor, dann verlor er auch Urd; das war so selbstverständlich, dass er nicht einmal darüber nachdenken musste. »Und ehrlich gesagt bin ich froh, dass es so ist.«
    »Warum?«
    »Weil ich wenig Lust habe; dir gewisse … äh … grundsätzliche Dinge zu erklären, die mit dem Unterschied zwischen Mann und Frau zu tun haben«, antwortete er. »Ich könnte jetzt sagen, dass es dich nichts angeht, was deine Mutter tut, und schon gar nichts, was ich tue, und mit beidem hätte ich recht.« Er blieb stehen und wartete, bis Lif ebenfalls angehalten hatte und mit erstaunlicher Gelassenheit zu ihm hochsah. »Aber das will ich nicht.«
    »Ach nein?«, schnappte Lif.
    »Nein«, bestätigte er. »Ich will deinen Vater nicht ersetzen, Lif, weder in deinem Herzen noch in dem deiner Mutter. Das kann ich nicht, und ich würde es auch nicht wollen.«
    Das war die Wahrheit, und der Junge schien das auch zu spüren, denn er schien einen weiteren – wenn auch nur kleinen – Teil seiner Feindseligkeit einzubüßen.
    »Du vermisst deinen Vater«, sagte Thor.
    »Ich vermisse Lasse«, antwortete Lif. »Ich habe meinen Vater nie kennengelernt, aber …« Er brach ab, und der Zorn auf seinem Gesicht erlosch wie abgeschaltet. Seine Augen füllten sich mit Tränen. Thor sah diskret weg.
    »Ja, ich vermisse ihn«, sagte Lif, nach einer Weile und mit sonderbar veränderter, flacher Stimme. »Er war vielleicht nicht mein richtiger Vater, aber er war der einzige, den ich je kennengelernt habe. Ich habe … er hat mir alles beigebracht, was ich weiß. Und er war immer gut zu Elenia und mir, obwohl wir nicht seine Kinder sind.«
    »Deine Mutter hat euch davon erzählt?«
    »Sie hat nie einen Hehl daraus gemacht und er auch nicht«, antwortete Lif. »Aber es hat nie einen Unterschied gemacht. Er … er war mein Vater. Er hat mir das Schwimmen beigebracht und das Reiten. Von ihm habe ich meine erste Angel bekommen, und ich habe zusammen mit ihm mein erstes Schwert geschmiedet. Fast alles, was ich weiß, weiß ich von ihm. Wer sollte sonst mein Vater sein, wenn nicht er?«
    »Und nun ist er tot«, sagte Thor, so sanft er konnte. »Das tut mir wirklich leid, Lif. Für deine Mutter, aber auch für dich.«
    »Du hast seinen Mörder erschlagen«, sagte Lif.
    Aber nicht einmal das hatte er. Der gehörnte Riese war entkommen. »Ja.«
    »Das macht ihn auch nicht wieder lebendig«, sagte Lif bitter. Tränen liefen über sein Gesicht, obwohl er keine Miene verzog.
    »Nein«, antwortete Thor. »Aber vielleicht macht es es dir ein wenig leichter, damit fertigzuwerden. Das Leben geht weiter, weißt du?«
    Lif lachte freudlos. »Das sagt meine Mutter auch immer«, murmelte er.
    »Und sie hat recht damit«, sagte Thor. »Manchmal ist es ziemlich hart, erwachsen zu werden. Für jeden kommt einmalder Moment, in dem er das begreifen muss. Für den einen früher, für den anderen später. Ich hätte dir gewünscht, dass es ein wenig später gewesen wäre, aber das Leben fragt uns nicht immer nach unseren Wünschen.« Und eigentlich tut es das nie.
    »Ich bin nicht mehr so jung, dass ich meinen Vater für einen Gott halte, der alles kann«, sagte Lif leise. Seine Tränen versiegten, aber nun begann eine Mischung aus Bitterkeit und Schmerz von seinen Zügen Besitz zu ergreifen, die eindeutig schlimmer war. »Auch der Moment kommt für jeden irgendwann einmal, oder?«
    Thor nickte. Eigentlich war er mit Lif hier herausgekommen, um ihm etwas über das Leben zu erzählen, und nun war es fast umgekehrt.
    »Wie hast du dich gefühlt, in diesem Moment?«, fragte Lif.
    »Ich kann mich nicht erinnern«, sagte Thor.
    »Dann bist du ein sehr glücklicher Mann,

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