Freibeuter der Leidenschaft
Kind, räumte sie ein, aber es spielte keine Rolle mehr.
Allerdings gab es ein Problem: Früher oder später würde Clive nach Windsong zurückkehren, und sie würde dort hingehen wollen. Sie stellte sich vor, wie sie in seinem Haus vorsprach, eine reiche, unabhängige und angesehene Dame, vielleicht ein Dutzend Jahre älter, die Juwelen trug, die sie sich selbst gekauft hatte. Ihr Herz schlug schneller. Es würde ihr immer gefallen, ihn zu sehen.
Sie musste die Augen schließen und sich gegen diesen verführerischen Traum wehren, dass sie nämlich selbst nach einem Dutzend Jahren in seinen Augen Bewunderung und Verlangen sehen würde, und dass er sie auf dieselbe Weise anlächeln und sie dann in seine Arme ziehen würde …
Amanda legte das Ballkleid aufs Bett. Immer würde sie versucht sein, von seiner Liebe zu träumen, aber sie sollte sich besser daran gewöhnen, dass es nur ein wilder, fantastischer Traum war.
Es war besser, sich auf die Gegenwart zu konzentrieren. Am vergangenen Abend hatte sie zusammen mit dem Earl und der Countess, Lizzie und ihrem Mann Tyrell zum ersten Mal die Oper besucht. Für kurze Zeit war sie begeistert genug gewesen, um Clive zu vergessen. Sie hatte sich amüsiert, in Kingston gab es keine Oper. Ich werde seine Familie wirklich vermissen, dachte sie, und sogar die Stadt. Es klopfte an ihrer Tür, aber Amanda hörte es nicht. Vielleicht würde eines Tages Eleanor sie zusammen mit Sean und Rogan besuchen kommen.
Eleanor erschien vor ihrer Tür, der Blick voller Mitleid.
Sofort setzte Amanda statt des besorgten Gesichtsausdrucks eine freundliche Miene auf.
„Ich habe geklopft. Aber du hast nicht geantwortet, und ich sehe, du bist in Gedanken versunken.“ Eleanor berührte sie leicht, als sie sich zu ihr umdrehte. „Du musst dich nicht verstellen, Amanda. Wir alle wissen, wie unglücklich du bist. Ich persönlich schmiede gerade verschiedene Pläne, wie mein Bruder zur Vernunft zu bringen ist, sobald er wieder zurück ist.“
Amanda lächelte weiterhin. „Ich liebe mein Kleid“, sagte sie, weil sie nicht über Clive reden wollte. Dann aber änderte sie ihre Meinung. „Clive war wunderbar zu mir. Sei nicht böse mit ihm.“
Eleanor sah sie mit großen Augen an. „Du musst aufhören, ihn zu verteidigen, Amanda. Willst du mir nicht sagen, was genau auf Ashford Hall passiert ist, dass er so vor dir davonläuft?“
Amanda spürte, wie sie errötete. „Er muss sich im Ausland um Geschäfte kümmern“, sagte sie und senkte den Blick.
Eleanor lachte höhnisch. „Da könnte er seinen Agenten schicken! Du bist so bescheiden, Amanda. Etwas Eitelkeit könnte nicht schaden. Du irrst dich. Er ist hingerissen von dir, und ich habe einen Verdacht, warum er so eilig die Stadt verlassen hat.“
„Er mag mich. Das hat er sogar zugegeben.“ Amanda ging zum Bett, nahm das Kleid hoch und trug es vorsichtig zurück zum Schrank. Sie wollte weder ihre Gefühle noch ihre Beziehung zu Clive mit seiner Schwester besprechen. „Hingerissen ist er kaum.“
„Du solltest ihn verführen.“
Amanda zuckte zusammen. Wenn Eleanor wüsste, warum Clive fortgegangen ist, würde sie kaum so etwas vorschlagen.
Eleanor seufzte. „Denk darüber nach. Jedenfalls haben wir Besuch. Und nein, es ist nicht dein neuester Bewunderer MacLachlan.“
Seit ihrer Rückkehr von Ashton Hall hatte es ein paar Besucher gegeben. Blanche Harrington war gekommen, und Amanda hatte ihre Gegenwart genossen. Sie waren im Garten spazieren gegangen und zufällig auf Rex getroffen, der von einer Feier zurückkehrte, doch er war in seiner üblichen schlechten Stimmung. Es waren auch andere Besucher da gewesen, denn die Countess wurde viel bewundert und war sehr beliebt. Eleanor hatte mehrere Frauen empfangen, die sie von ihrem eigenen Debüt vor einigen Jahren her kannte. Bei jedem dieser Besuche war Amanda dabei gewesen. Niemand schien zu ahnen, dass sie noch vor drei Monaten ein gänzlich anderes Leben geführt hatte. Die Konversation fiel ihr inzwischen leicht, sie musste sich nicht länger sorgen, was sie tun oder sagen sollte und was besser nicht. Und niemand wusste, dass sie tief in ihrem Innern trauerte.
Es gab auch männliche Besucher. Und nun, da sie plante, recht bald nach Hause zurückzukehren, hatte sie ein schlechtes Gewissen, weil sie sie empfing. Trotz Clives Verbot war MacLachlan zurückgekehrt. Sein Vater und Adare waren befreundet, und der Earl billigte seine Besuche. Er hatte einige unverheiratete Bekannte
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