Freibeuter der Leidenschaft
„Ich bin fast zwanzig, de Warenne.“
Sein Blick war jetzt undurchdringlich. „Das kann nicht sein. Ganz offenbar sind Sie noch in dieser Zwischenphase, halb Kind, halb Frau.“
„Sie reden Unsinn“, sagte sie auf einmal verärgert. „Niemand ist halb Kind, halb Frau. Heute Morgen haben Sie mich ganz offensichtlich für eine erwachsene Frau gehalten und nicht für eine halbe.“
Er richtete sich in seinem Stuhl auf und sah sie an. Amanda warf ihm einen herausfordernden Blick zu und wartete auf seine Antwort.
Langsam verzog er den Mund zu einem Lächeln. „Sie wuchsen zwischen rauen Seeleuten auf. Sie wissen, wie Männer sind. Ich habe versucht, mich Ihnen gegenüber wie ein Gentleman zu verhalten, aber ich habe meine Schwächen. Ich bin ein Mann. Das hat nichts zu bedeuten, also lesen Sie nichts hinein, was es nicht gibt.“
Amanda starrte ihn an. Sie verstand nicht, was er meinte.
Er schenkte ihr ein sehr offenes und sinnliches Lächeln, von der Sorte, die jedes Herz zum Schmelzen bringen konnte, und es schmolz ihres. Sie vergaß den Versuch, seine seltsamen Worte zu verstehen. Ihr Herz schlug schneller, und ihre Gedanken wirbelten durcheinander, alles zugleich.
Er nahm die Weinflasche und füllte ihr Glas. „Erzählen Sie mir ein wenig über sich.“
Sie hörte ihn kaum.
„Amanda? Wann sind Sie und Ihr Vater nach Jamaika gekommen?“
Sie holte tief Luft und konnte nicht vergessen, wie er Sie gerade angesehen und angelächelt hatte. Noch immer vermochte sie kaum zu atmen. „Ich war vier Jahre alt“,brachte sie heraus.
„Wo haben Sie davor gelebt?“, fragte er, das Glas jetzt in der Hand. Von Zeit zu Zeit nippte er daran und genoss den roten Wein offensichtlich.
„St. Mawes. Das liegt in Cornwall. Dort wurde ich geboren“, sagte sie, und allmählich kehrte ihr Verstand zurück.
„St. Mawes – ich glaube, das liegt an der Ostküste.“
Sie nickte. „Dort wurde meine Mutter geboren.“
„Wie haben Ihre Eltern sich kennengelernt?“, fragte er, ohne den Blick je von ihrem Gesicht abzuwenden.
Erstaunt stellte sie fest, dass er sich tatsächlich für ihr Leben interessierte. „Papa war bei der Marine. Er war Oberfähnrich zur See auf einem Kriegsschiff. Es sollte in Brighton auslaufen, und dort verbrachte Mama mit ihrer Mutter und ihren Schwestern die Ferien. Es war Liebe auf den ersten Blick“, fügte sie mit einem Lächeln hinzu.
Sie erwartete, dass er gelangweilt wirkte, aber er beugte sich jetzt vor. „Ich habe gehört, dass Carre Marineoffizier gewesen ist. Ein Kriegsschiff, das ist beeindruckend.“
Die Kriegsschiffe waren der Stolz der britischen Marine, große, dreistöckige Exemplare mit mehr als hundert Kanonen und einer Besatzung von achthundert Mann oder mehr. Sie empfand Stolz. „Damals war Papa ziemlich schneidig, nehme ich an.“
„Und Ihre Mutter war hingerissen.“ Er lächelte.
„Ja.“ Ihr Lächeln verschwand. „Und dann wurde Papa zum Schurken.“
„Nach der Heirat?“
Sie nickte. „Und nach meiner Geburt. Mama warf ihn hinaus.“
„Ich frage mich, ob ich die Familie Ihrer Mutter kenne“, überlegte er. „Mein Bruder Rex besitzt ein Anwesen in Cornwall, und ich bin schon dort gewesen, wenn auch nicht oft.“
„Sie war eine Straithferne“, sagte Amanda erneut sehr stolz. „Das ist eine sehr alte Familie – Mama kann ihre Vorfahren bis zu den Angelsachsen zurückverfolgen.“
„Ihre Mutter ist also eine vornehme Dame“, bemerkte er.
„Sie ist eine Lady. Papa sagte mir, dass ihr Benehmen stets tadellos ist, in welcher Situation auch immer, und dass sie außerdem sehr schön ist.“ Sie lächelte, doch etwas Unbehagen breitete sich bei dem Gedanken in ihr aus. Es war so einfach zu vergessen, dass sie in sechs Wochen vielleicht schon in London bei ihrer Mutter an der Tür stehen würde. Sie sah de Warenne an und bemerkte, dass er sie genau beobachtete. Dann lächelte sie noch breiter, denn auf keinen Fall sollte er merken, dass die Vorstellung, nach England zu gehen, sie mehr ängstigte als jede Seeschlacht das jemals konnte.
„Hat die Familie noch Besitz in St. Mawes?“, fragte er.
Amanda setzte sich plötzlich auf. „Sie stellen eine Menge Fragen über meine Mutter.“ Ihre Gedanken überschlugen sich. De Warenne war ein berüchtigter Frauenheld, und ihre Mutter war eine große Schönheit. War er an Dulcea Carre etwa interessiert?
Ihr Herz schlug schneller.
„Geht es Ihnen gut?“, fragte er.
Sie brachte kein Lächeln
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