Freibeuter der Leidenschaft
berührte, aber sie sehnte sich danach, dass de Warenne sie küsste und berührte, und sie wollte sogar den Kuss erwidern und ihn berühren. Aber er hatte gesagt, dass seine Absichten ehrbar waren.
Er hob den Deckel von der ersten silbernen Schüssel, und Dampf stieg daraus auf, zusammen mit dem Aroma von gebratenem Hühnchen. Als er ihr vorlegte, brachte Amanda kaum ein Lächeln zustande. Sollte sie ihn jetzt ermutigen?
„De Warenne?“,fragte sie. Ihre Stimme klang seltsam, heiser und tief.
Fast widerstrebend richtete er den Blick auf sie und schien nicht erfreut. Seine Miene wirkte finster. „Genießen wir das Essen, Amanda.“
„Ich bin nicht hungrig.“ Sie warf einen Blick auf das Bett. Warum trug er sie nicht einfach dorthin und tat es?
Plötzlich sprang er auf. „Entschuldigen Sie mich“, sagte er.„Ich höre Ariella, sie muss einen Albtraum haben. Warten Sie nicht auf mich. Genießen Sie das Essen.“
Damit eilte er aus der Kabine.
6. Kapitel
Der Wind war nicht stärker geworden, und er hatte befohlen, die meisten Segel zu reffen. Das große Schiff war um einige Knoten langsamer geworden, und jetzt ging die Sonne auf und färbte den Himmel über der See rot und orange. Einer seiner Offiziere stand am Ruder, als Clive sich an der Reling das Hemd auszog. Bei leichtem Wind oder einer Flaute kam es nichtselten vor, dass er vor Tagesanbruch schwimmen ging. Seine Männer hielten ihn für verrückt, und vielleicht war er das auch, weil er ein kurzes Abtauchen in den eiskalten Atlantik anregend fand.
Er hing seinen Gedanken nach, während er sich rasch auszog. Amanda letzte Nacht dazu einzuladen, mit ihm zu essen, war offenbar ein Fehler gewesen. Ihr unschuldiger Blick, ihr Lächeln und ihre Worte bezauberten ihn. Eine Frau wie sie hatte er noch nie getroffen. Vielleicht war es die Kombination von Unschuld und Mut, Naivität und Kühnheit, Unwissenheit und Weisheit, die ihn so anzog. Sie war so unbeschreiblich schön und steckte dabei voller Widersprüche. Oder vielleicht beeinflusste ihn auch das Mitleid so stark, das sie in ihm weckte. Er wollte sie beschützen und sie in sein Bett holen, beides zugleich. Letzte Nacht hatte er gefürchtet, allen Anstand zu vergessen und sie einfach zu nehmen, zumal sie es sich so offensichtlich wünschte. Er hatte seine Tochter nicht weinen gehört, das war nur eine Ausrede gewesen, ihrer Gesellschaft zu entfliehen und seine Selbstbeherrschung wiederzugewinnen. Und den gesunden Menschenverstand.
Aber seine Selbstbeherrschung hing am seidenen Faden, und nichts ergab einen Sinn. Innerhalb weniger Tage war sie irgendwie zum Mittelpunkt seines Lebens geworden.
Natürlich brauchte sie seinen Schutz. Das war vom ersten Augenblick an klar gewesen, da er sie in King’s House getroffen hatte: als sie hereingekommen war, mit der geladenen Pistole gefuchtelt und den Gouverneur zu sehen verlangt hatte. Rasch hatte er erkannt, dass sie sich selbst am meisten im Weg stand – das war offensichtlich gewesen, während sie versuchte, Woods zu verführen. Er konnte sie nicht sich selbst überlassen. Sie stand ganz allein in der Welt und betrauerte den Verlust ihres Vaters. Sie hatte niemanden außer ihm. Er besaß genügend Kraft, um sie unbeschadet zu ihrer Mutter zu bringen, und das würde er tun.
Am Vortag hatte er sie nicht deshalb zum Essen eingeladen, weil er ihre Gesellschaft wünschte – auch wenn er das sehr genossen hatte, bis ihm sein eigenes Verlangen dazwischen kam –, sondern weil er entschlossen war, einiges über ihr Leben zu erfahren. Sie war rührend leicht zu beeinflussen gewesen, und er hatte alles erfahren, was er wissen musste, jedenfalls für den Augenblick. Die Mutter, zu der sie unterwegs waren, stammte aus guter Familie, war vielleicht sogar von Adel. Er wünschte sich, dass Amanda eine Familie hatte, die ihr finanzielle Sicherheit bot, doch er war wenig zuversichtlich.
Mutter und Tochter waren mindestens zehn Jahre voneinander getrennt gewesen. Sowohl sein gesunder Menschenverstand als auch seine Lebenserfahrung sagten ihm, dass diese Wiedervereinigung nicht einfach sein und nicht angenehm verlaufen würde. Schlimmer noch, ihre Geschichte stimmte nicht. Er wusste, dass sie daran glaubte, aber sein Instinkt sagte ihm, dass noch mehr daran sein musste, als man ihr gesagt hatte. Und gewöhnlich trog sein Instinkt ihn nicht.
Aber selbst wenn die Geschichte sich wirklich so zugetragen hatte, wie man es ihr gesagt hatte, würde sie noch mehr Verletzungen
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