Freibeuter der Leidenschaft
„Ich hörte, der Unterricht heute hätte Ihnen Spaß gemacht.“ Er hatte Michelle zu sich gerufen, damit der ihm berichtete.
Sie strahlte. „Ich habe drei Sätze gelesen!“ Dann errötete sie. „Es waren dumme Sätze, über eine Katze, einen Hund und einen Hut.“
„Ich weiß“, sagte er und freute sich über ihre Begeisterung. „Monsieur hat es mir erzählt.“
Ihr Lächeln verschwand. Sie blickte starr geradeaus. „Ich schulde Ihnen so viel. Ich bin Ihnen sehr dankbar.“
Er erstarrte, denn er musste daran denken, wie sie ihn ursprünglich für die Überfahrt hatte bezahlen wollen. „Sie schulden mir nichts, Amanda. Es ist mir ein Vergnügen, Ihnen Michelle zur Verfügung zu stellen. Es freut mich, dass Sie lesen lernen wollen und dabei bereits Fortschritte machen.“
Er sah, wie sie vor Freude noch mehr errötete. Dann flüsterte sie, fast ohne ihn anzusehen: „Sie haben mich heute nicht zum Essen eingeladen.“
Jeder seiner Muskeln spannte sich jetzt an. Er umklammerte das große Ruder. Natürlich hatte er das nicht getan, fürchtete er doch, wieder die Selbstbeherrschung zu verlieren, so wie am Abend zuvor. Vorsichtig sagte er: „Ich bedaure mein Verhalten vergangene Nacht. Es war unverzeihlich von mir, Sie beim Essen allein zu lassen. Aber an erster Stelle steht meine Tochter.“
Amanda starrte über den Bug hinweg. Nach einer langen Pause sagte sie: „Ariella erinnerte sich nicht, einen Albtraum gehabt zu haben und mitten in der Nacht von Ihnen geweckt worden zu sein.“
Er konnte es nicht fassen. „Sie haben sie gefragt?“
Sie zuckte die Achseln und warf ihm von der Seite her einen Blick zu.
Niemals würde er zugeben, dass er gelogen hatte, und er konnte ihr auch nicht den wahren Grund nennen, warum er sie so unhöflich an seinem Tisch allein gelassen hatte. „Sie war im Halbschlaf.“
Sie nickte und glaubte ihm offensichtlich kein Wort.
Er gab zu: „Ich dachte, sie hätte geschrien.“
Langsam drehte sie sich zu ihm um und sah ihm in die Augen. „Ich bin kein Dummkopf, de Warenne. Ich bin keine gute Gesellschaft.“
Ihre Worte entsetzten ihn. „Ich genieße Ihre Gesellschaft sehr. Wäre das nicht der Fall, würden Sie jetzt nicht auf der Wache bei mir sein.“
Die Andeutung eines Lächelns umspielte ihre Mundwinkel, und ihre Augen erstrahlten. „Wirklich? Weil Sie mich so viel über mein Leben fragten, kam ich nicht dazu, Sie über Ihres zu befragen.“
Er lachte. „Fragen Sie, Amanda. Bitte, nur keine Scheu.“
Sie lächelte begeistert. „Jeder sagt, Sie seien der Sohn eines Earls, aber Sie sagen, Sie seien nicht von königlichem Geblüt. Das verstehe ich nicht.“
„Das ist nicht dasselbe.“ Er lächelte. „Ich bin der dritte und jüngste Sohn des Earl of Adare, Edward de Warenne. Damit bin ich von adeliger Geburt, aber nicht königlichen Geblüts.“
Amanda schien verwirrt. „Ich sehe keinen Unterschied zwischen adlig und königlich – Sie leben wie ein König! Wo liegt Adare? Wie ist es dort?“
Er lachte wieder. „Adare liegt im Westen Irlands, nicht weit vom Meer. Es ist ein Land mit grünen Hügeln und grünen Wäldern, vor allem im Frühjahr. Nirgendwo sonst ist der Ozean so blau. Oft ist es nebelig, und meist regnerisch.“ Sein Lächeln wurde beinahe verträumt. „Es ist der schönste Ort der Welt.“
Ihre Augen glitzerten. „In der Regenzeit ist es auch auf den Inseln nass.“
„Jamaika ist eine tropische Insel – Irland ist ganz anders. Es ist wild und ungezähmt – selbst an einem sonnigen Tag. Die Zeit vergeht dort anders. Wenn die Inseln das Paradies sind, so ist Irland magisch und rätselhaft. Vielleicht liegt das an unserer Geschichte, die sehr alt ist. Meine Familie stammt aus Frankreich, aber auf der Seite meiner Mutter gab es auch keltische Könige. In jedem Fall sind sie alle Kriegsherren. Irland ist ein Land mit einer dunklen und blutigen Geschichte. Und wir sind für unsere Geister bekannt.“
„Ich würde es so gern sehen!“, rief sie aus. „Und Ihr Haus in Adare? Ist es so wie Windsong?“
„Ich wurde auf Adare geboren, aber das Haus gehört meinem Vater, dem Earl, und eines Tages wird es meinem Bruder Tyrell gehören. Es ist ganz anders als Windsong“, sagte er, und er sah, dass ihr die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben stand. „Es ist viel größer. Es wurde schon vor vielen hundert Jahren erbaut, obwohl es seither mehrmals renoviert wurde.“
„Es ist größer als Windsong?“ Das konnte sie nicht
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