Freibeuter der Leidenschaft
„Ich bin mir bewusst, dass du wie Devlin ein Beherrscher der Meere bist. Die Londoner Gesellschaft ist aber nicht dein Achterdeck, deine Macht hier ist begrenzt. Ich kann mich kaum erinnern, dass du zur Creme der Gesellschaft gehörst. Hinter deinem Rücken wird geflüstert – und du scheinst dieses Geflüster noch zu ermutigen. Du kannst dein Bestes geben, um Miss Carre vor allen Unannehmlichkeiten zu bewahren, aber du kannst Lady Belford nicht zwingen, sie aufzunehmen, und du kannst die Gesellschaft nicht zwingen, ihre eigenwillige Art zu akzeptieren. Tatsächlich könnte die Gesellschaft dieselben Fragen zu diesem seltsamen Paar stellen wie ich auch.“
Clive erhob sich. „Du irrst dich. Ich kann und werde Amanda beschützen. Ich habe dieses Geflüster hingenommen, weil es mich amüsierte. Jetzt werde ich in der Stadt mit meinen Reichtümern um mich werfen, dass es ordinär ist, und das Gerede wird aufhören. Ich scheitere nie. Ich habe nicht vor, dies das erste Mal werden zu lassen.“ Er ging quer durchs Zimmer.
„Wohin willst du?“, fragte Rex leise.
„Ich gehe nach Amanda sehen, um herauszufinden, ob sie mit ihrer Unterbringung zufrieden ist. Sie ist nicht an Dienstboten gewöhnt, und ich bezweifle, dass sie nach irgendetwas gefragt hat.“
„Clive.“ Rex stand auf. „Sie mag Hosen tragen, aber sie ist eine junge und sehr schöne Frau. Du bist nicht auf deinem Schiff. Du kannst nicht einfach so in ihre Gemächer gehen. Noch vor Tagesanbruch wird es sich im Untergeschoss herumgesprochen haben, dann in der Beletage, und im Nu wird es in der Gesellschaft herum sein. Willst du ihren Ruf ruinieren, noch bevor sie ihr Debüt erleben durfte? Du allein bietest schon Stoff genug für den Klatsch, aber jetzt fügst du noch La Sauvage hinzu. Ich wünsche dir, dass du Erfolg hast, aber du musst bedachtsam sein.“
Clive fühlte, wie Unmut in ihm aufstieg, denn Rex hatte recht. „Ich werde nach ihr sehen – aber nur kurz.“ Er zögerte. „Wir werden in der Halle sprechen.“
Rex sah ihm nur nach und hatte nur einen Gedanken. Dies würde keine leichte Aufgabe werden.
Als sie Clives Schritte vor der Tür hörte, sprang Amanda auf. Ehe er noch klopfen konnte, riss sie die Tür auf und war schrecklich erleichtert, ihn zu sehen. Wie er so dastand, schien er überrascht von ihrem Verhalten, und sie musste sich zwingen, ihn nicht zu umarmen. „Sie haben mich nicht vergessen!“
Er lächelte. „Das wäre unmöglich.“
Sie biss sich auf die Lippen. „Sie flirten mit mir.“
„Tue ich das?“ Er blickte an ihr vorbei. „Fühlen Sie sich wohl in diesen Gemächern, Amanda?“
„Ob ich mich wohlfühle?“ Sie hatte die Möbel in Windsong schon luxuriös gefunden, aber dies hier war so ganz anders. Das Schlafzimmer kündete von vergangenen Jahrhunderten, von einem Familienerbe und einer Tradition, die sie kaum verstand. In der Halle gab es verblasste Porträts in alten Goldrahmen, und der Sekretär in ihrem Schlafzimmer sah aus, als gehörte er zu einer anderen Zeit und in einen anderen Raum. Harmon House war so offensichtlich ein Teil der Familientradition der de Warennes, dass sie beinahe fühlte, wie die Vorfahren in den Schatten vor ihrem Zimmer lauerten.
„Ich nehme an, es gefällt Ihnen?“
Sie nickte. „Warum stehen Sie im Gang? Können Sie sich nicht setzen und einen Moment mit mir reden?“ Dann fragte sie, was sie wirklich wissen wollte. „Was hat Ihr Bruder gesagt, als ich fort war? Und was haben Sie ihm über mich erzählt?“
Er zögerte. „Ich kann nicht hereinkommen. Ich bin ein berüchtigter Junggeselle, und wenn ich diese Schwelle übertrete und ein Hausmädchen mich sieht, ist Ihr Ruf ruiniert, ehe wir Sie überhaupt jemand vorstellen konnten.“
Ihre Furcht verschärfte sich. In gewisser Weise hatte sie sich bereits in die Gesellschaft begeben. Ihr war unbehaglich zumute. „Das ist mir egal.“ Und doch war das eine Lüge.
„Aber mir nicht.“ Wieder lächelte er sie an. „Ich lasse ein Tablett mit dem Essen heraufschicken.“
Sie sah ihn an. „Sie antworten mir nicht.“
„Rex meint, Sie seien sehr jung und sehr schön, und es überrascht ihn, dass ich Ihr Beschützer bin.“ Clive zuckte die Achseln.
„Das ist alles?“
„Das ist alles. Dennoch, ich habe Neuigkeiten. Es sind gute Neuigkeiten, und so sollten Sie sie auch ansehen.“
Amanda fühlte sich sofort unbehaglich. „Was ist es? Geht es um meine Mutter?“
„Nein. Meine Stiefmutter, meine Schwägerin und
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