Freibeuterin der Liebe - What a Pirate desires
dem Boden liegen musste. Sie war glücklich, dass er sie jetzt verstand. Glücklich, dass wenigstens ein Teil von ihr Frieden gefunden hatte. Sie hatte wieder eine Familie. Als sie zu den flackernden Sternen hinaufblickte, stellte sie sich vor, dass sie ihr zublinzelten.
Sam atmete tief die feuchte Tropenluft ein und nach ein paar Sekunden langsam wieder aus. Sie hatte einen Bruder. Jetzt musste sie einen Weg finden, sie beide zu ernähren.
»Ich wünschte, ich könnte dich behalten«, flüsterte sie dem Schiff zu.
Dann stieß sie sich vom Bug ab, schlenderte zum Ruder, vorbei an den Kanonen, die sie poliert hatte, bis sie wie schwarze Edelsteine glänzten, und wieder zum Ruder. Wie viele Nächte hatte sie wohl hier gestanden und aufs Meer hinausgeblickt? Sie hatte gespürt, wie die See atmete, wie sie an den Schiffsrumpf schlug, ihr Gischt ins Gesicht spritzte. Sie hatte Salz geschmeckt und Freiheit. Sie konnte überallhin, sich alles ansehen, wonach ihr der Sinn stand.
Delfine hatten das Schiff begleitet, in den schäumenden Wellen gespielt, die es verursachte. Wind hatte Sam attackiert und liebkost, geflüstert und gewütet. Je nach Seegang war das Schiff ruhig dahingeglitten, in Wellentäler hinuntergekracht oder gebeutelt worden. Sie war durchnässt gewesen und so durchgefroren, dass sie nicht geglaubt hatte, dass ihr jemals wieder warm sein würde. Ein andermal hatte glühende Hitze ihr das schweißnasse Haar an den
Kopf geklebt, sie aus jeder Pore schwitzen lassen und ihre Kehle ausgedörrt.
Es hatte Zeiten gegeben, da sie um ihr Leben fürchtete und um das ihrer Mannschaft. Zeiten, da sie sich selbst hasste. Und Momente, in denen sie beinahe platzte vor Stolz. Wenn sie dann in ihre Kabine kam, wurde der Triumph schal, weil niemand da war, dem sie davon erzählen konnte, niemand, der ihr so nahestand, dass er ihre Freude hätte teilen können. Natürlich hätte sie zu Joe gehen können, aber es war keine Onkelfigur, nach der sie sich sehnte.
Sie umfasste das Steuer, wie sie die Hände eines lang vermissten Freundes umfasst hätte. Ja, sie hatte Kummer und Leid an Bord erlebt. Einsamkeit und Enttäuschung. Aber das gehörte zum Leben. Und keine dieser Erfahrungen konnte ihre Liebe zu diesem Schiff mindern. Luke hatte recht - es war ihr Heim.
»Ich werde das alles sehr vermissen«, sagte sie in die Stille hinein.
Plötzlich veranlasste sie ein unbestimmtes Gefühl, ihren Blick auf den Strand zu richten. Auf den ersten Blick fiel ihr nichts Ungewöhnliches auf, doch als sie genauer hinschaute, sah sie eine Gestalt im Sand sitzen. Einen Mann. Mit an die Brust gezogenen Knien und einer Flasche neben sich. Im nächsten Moment nahm er die Flasche, hielt sie am ausgestreckten Arm vor sich, zögerte kurz und führte sie zum Mund.
»Luke«, flüsterte Sam, und alles in ihr krampfte sich zusammen. Doch dann erwachte die Sehnsucht.
Obwohl er wahrscheinlich das Schiff bewachte, redete sie sich ein, dann gestattete sie sich die Torheit, sich einzubilden, dass er sie bewachte, dass er nichts anderes im Kopf hatte als Samantha Fine. Sie war vier Jahre lang Kapitän gewesen, Männer hatten sich ihrer Führung gefügt. Davor war sie ein naives junges Mädchen gewesen. Heute Nacht gab ihr der Gedanke, dass Luke nur ihretwegen dort drüben Wache hielt, das Gefühl, eine Frau zu sein, die geliebt wurde.
Sie würde sich mit ihren Sorgen und den wahren Gefühlen befassen, die Luke ihr entgegenbrachte, sich überlegen, wie sie Aidan und sich ernähren und wo sie mit ihm leben könnte. Aber erst morgen.
»Gute Nacht, Luke.«
Als hätte er es gehört und entschieden, sie zu ignorieren, ließ er sich nach hinten fallen, als wolle er schlafen.
Oliver schmeckte seinen bevorstehenden Sieg genauso intensiv wie den Brandy, den er in seinem Glas kreisen ließ. Er hatte gewusst, dass dieser Tag kommen würde.
»Genieße dein Leben«, sagte Oliver und prostete Samantha zu, die über das Deck seines Schiffes schlenderte. »Genieße es, solange du kannst.«
Der Einschlag einer Kanonenkugel riss Sam aus dem Schlaf. In Panik kletterte sie die Leiter hinauf. Die Klappe klemmte, und Sam rammte ihre Schulter dagegen. Ein stechender Schmerz fuhr durch ihren Arm.
Schließlich gab die Klappe nach, und Sam kletterte an Deck. Piraten - Hunderte, wie es schien - wimmelten dort herum, ein Gesicht tückischer als das andere. Verfaulte Zähne in böse lachenden Mündern.
Trotz ihres Entsetzens und ihrer Angst wusste Sam, dass sie
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