Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
Vom Netzwerk:
bedingungslos von der Sonne meiner Zuwendung beschienen zu werden. Viel zu lange ließ er meinen Rockzipfel buchstäblich nicht los. Ja, mein Kind trieb mich nicht selten an den Rand der Überforderung - und manchmal darüber hinaus.
    Ich war ja nicht nur Mutter und Lebensgefährtin, sondern bereits wieder voll berufstätig. Mir fehlte schlicht und ergreifend auch die Zeit, um bei meinem Sohn das wiedergutzumachen, was ich ihm zunächst nicht hatte bieten können. Das verstärkte mein schlechtes Gewissen und trieb mich dazu, es mit Geschenken zu beruhigen. So weit das möglich war, denn Cenks Wünsche mussten ja auch bezahlbar sein. Dann aber konnte er sicher sein: Er bekam den Wunsch erfüllt.
    Ich jedoch fühlte mich langsam aber sicher aufgefressen. Wortwörtlich. Mein Kind »fraß mich auf«. Ein emotionaler Vielfraß. Nie war es genug, was ich ihm zu geben vermochte. Ich habe auf neue Kleider verzichtet, um ihm besonders schicke Sachen zu kaufen. Ich habe auf viele Abende mit meinem Liebsten verzichtet, um ihm stundenlang vorzulesen, bis er endlich einschlief. Wenn ich dann schließlich die Tür zum Kinderzimmer hinter mir zuzog, ganz leise, damit er nicht merkte, dass ich mich entfernte, hörte ich es schon wieder:

    »Mama!«
    Nichts schien ihm zu genügen, immer wollte er noch mehr. Hinterher tat es mir schrecklich leid, wenn ich wieder einmal ungeduldig geworden war. Und zugegeben, ich wurde unmerklich, aber unweigerlich immer öfter ungeduldig …
    Irgendwann schaltet wohl jedes Muttertier um auf Selbsterhaltungstrieb. Ich spürte: Diesen Kampf kann ich nicht gewinnen. Ein absurder Kampf. Für meinen Sohn, doch irgendwie auch gegen ihn. Auch ich habe das psychologische Rätsel der Mutter-Kind-Symbiose nicht lösen können. Es ist mir aber doch eines klar geworden: Wenn ich uns beide nicht ungewollt ins Verderben führen wollte, musste ich nicht weniger an mich selbst denken, sondern mehr .
    Das tat erst einmal weh. Es war aber auch erleichternd. Ich war gerade dabei, einen Friseursalon mit hochzuziehen, der zwei spanischen Schwestern gehörte. Und das machte mir, ich kann es heute freimütig einräumen, sehr viel Spaß, solange ich nicht an meinen Sohn dachte. In meinem Beruf, so viel stand fest, kam ich viel besser klar als mit meiner Mutterrolle. Die berufliche Welt war für mich eine Welt ohne seelische Altlasten. Dort war die Gegenwart, die mich erfüllte, und Hoffnung auf eine Zukunft, die mich anspornte. Was ich dort vollbrachte, würde irgendwann auch meinem Sohn zugute kommen: So musste ich es mir zunächst einreden, aber je mehr ich in meinem Beruf aufging und dabei immer festeren Boden unter den Füßen verspürte, desto überzeugter war ich, dass es auch stimmte.
    Und ein weiteres Mal geschah etwas, das mir fast wie ein kleines Wunder erschien, letztlich aber doch allein aus mir
selbst hervorging. Etwas, das im Außen nur geschehen konnte, weil im Inneren erneut ein Wandel vonstatten ging: Cenks psychischer Zustand stabilisierte sich in dem Maße, in dem es auch mir besser ging. In kleinen Schritten zwar, aber doch unübersehbar. Die tiefsten Wunden seiner Seele schienen langsam zuzuheilen und zu vernarben.

»Nicht ohne meine Schwester!«
    Darmstadt und Frankfurt, 1992-1993
     
     
     
     
    M it meinen beiden Chefinnen verstand ich mich ausgezeichnet. Obwohl ich nur wenig verdiente, fühlte ich mich dennoch nicht ausgenutzt. Das Wichtigste waren mir auch hier meine Freiheit und Selbstständigkeit. Man ließ mir den Spielraum, die Kundschaft so zu beraten und zu frisieren, wie ich es mir vorstellte. So vermochte ich nicht nur meine Fähigkeiten als Friseurin auszubauen, sondern wurde jetzt bereits in die Lage versetzt, als Stylistin zu arbeiten.
     
    Frisieren ist Handwerk - Styling aber ist so etwas wie eine Kunst. Auf jeden Fall eine ganzheitliche Tätigkeit, die aus vielen verschiedenen Fertigkeiten besteht und jeden Menschen in seiner charakteristischen Eigenart berücksichtigt. Eine Grundvoraussetzung ist natürlich, das Auge zu haben, um den persönlichen Typ von jemandem zu erkennen. Nur dann kann ich eine Vorstellung davon entwickeln, wie dieser Mensch am schönsten aussehen würde. Viele Menschen verstecken ihren persönlichen Typ hinter einer festgefügten Idee von Attraktivität, die ihnen aber meistens nur eingeredet wurde. Immer jedoch sieht ein Mensch dann am besten aus, wenn er sich so zurechtmacht, wie es seinem
Typ entspricht - nicht, wie es die Mode diktiert, welche auch

Weitere Kostenlose Bücher