Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
der
Festgesellschaft, wie Heidi aus den Schweizer Bergen. Na, Hauptsache geschminkt!
Alles in allem fühlte ich mich wie in eine andere Haut gesteckt. Aber bis zu diesem Moment hatte ich nicht den Hauch einer Chance, mir überhaupt irgendwelche Gedanken zu machen oder zwiespältigen Gefühlen nachzuhängen. Das änderte sich schlagartig, als mein Vater mich unterhakte und als Braut dem Bräutigam zuführte. Auch er hatte sich schnell etwas Festliches gekauft und sah aus wie aus dem Ei gepellt, aber seine Augen blickten kalt und teilnahmslos. Auf einmal fühlte ich mich schwach und ausgeliefert. Als wäre ich im falschen Film gelandet, in einem, in dem ich die glückliche Braut spielen soll.
Im Bruchteil einer Sekunde rollten vor meinem inneren Auge die Ereignisse der letzten Tage ab, seit unserem Abflug aus Frankfurt.
Als hätte ich die Welten gewechselt.
Es war schier unglaublich, aber es ist tatsächlich niemandem gelungen, mir das Heft des Handelns vollständig aus der Hand zu nehmen. Auch meinem Vater nicht. Nun aber dämmerte mir die Endgültigkeit dessen, was sich da in so kurzer Zeit entwickelt hatte. Und es bereitete mir kein behagliches Gefühl. Von diesem Moment an würde ich die mir zugedachte Rolle spielen müssen. In meinem eigenen Familiendrama.
Frankfurt, Ende 2007
Sibel schenkt mir ein Glas Apfelwein ein.
»Original Äbbelwoi«, preist sie das Gesöff spitzbübisch an. Sie weiß genau, wie sie mich in Stimmung bringt.
»Direkt aus de Freßgass«, babbele ich zurück.
Sibel, ich danke dir! Immer wenn ich meinen Moralischen kriege, bringst du meine Endorphinproduktion wieder auf Trab. Allerdings, wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann ist es auch nicht so leicht, mich davon abzubringen. Und jetzt will ich im dunkleren Teil meiner Seele gründeln. Schließlich steht mir meine beste Freundin nicht alle Tage als Klagemauer zur Verfügung.
»Ich denke nun mal nicht gern an meine erste Ehe zurück.«
Sibel gehört zu den Menschen, die mühelos von Spaß auf Ernst umschalten können.
»Wieso denn? Es war doch eine wertvolle Erfahrung für dich und Bekir.«
Immer ihre oberschlauen Kommentare! Darf man nicht einfach mal nur klagen? Ohne sofort analysiert zu werden? Muss man denn immer gleich auch die guten Seiten an etwas sehen, das man am liebsten in die hinterste Ecke seines Unterbewusstseins verbannen möchte?
»Mich gruselt aber schon, wenn ich nur daran denke. Es war die schlimmste Zeit in meinem Leben.«
Das war ziemlich unüberlegt. Ich ahne schon, was jetzt kommt.
»Willst du dich nun ernsthaft darüber unterhalten oder nicht?«
Na klar doch, will ich.
»Du weißt doch, wie das funktioniert: Mit dem Opferbewusstsein, meine ich.«
Ich weiß nur zu gut, was sie meint. Und vor allem weiß ich auch, was das mit meiner ersten Ehe zu tun hat. Aber es geht mir gegen den Strich, es ihr jetzt allzu einfach zu machen.
»Wieso? Du sprichst in Rätseln.«
Sibel sieht mich mit durchdringendem Blick an.
»Sich zum Opfer zu machen gehört zur ungewollten Manifestation eines unbewussten Wunsches.«
Und das mir! Der selbsternannten Manifestationspäpstin! Natürlich weiß ich, dass durch die Fixierung auf negative Gedanken mein Handeln negativ gepolt wird. Und ich weiß sogar, dass ich dadurch genau jene Umstände in mein Leben ziehe, die mir ganz und gar nicht willkommen sind. Die ich dann aber nur zu gern einem grausamen Schicksal zuschreibe, statt mir selbst! Jetzt bleibt mir nur noch eine einzige Möglichkeit, aus der Sackgasse herauszukommen.
»Du magst wohl recht haben. Ich darf mich nicht beklagen. Schließlich habe ich es ja selbst so eingefädelt. Millionen von Frauen in unserer Heimat sind über Jahrhunderte hinweg gezwungen worden, mit Männern zusammenzuleben, die sie sich nicht aussuchen konnten. Ich dagegen habe diesen Mann geradezu in mein Leben gezwungen. Also musste ich die Suppe auch auslöffeln, die ich mir und ihm …«
Sie unterbricht meinen Redefluss. Und ich weiß sofort, dass ich mich selbst schachmatt gesetzt habe.
»Papperlapapp! Du lenkst ab. Du argumentierst auf einer Ebene von Schuld und Vergeltung. So nach dem Motto: Wer nicht hören will, muss fühlen! Fällt dir das nicht selbst auf?«
Auweia, der nächste Fauxpas. Bin nicht eigentlich ich es, die immer gern darauf hinweist, dass jeder Versuch, nach persönlicher Schuld zu suchen, zwangsläufig in Vorwürfen und Gegenvorwürfen endet? Immer weiter in einer Spirale, die nur aus Frustration
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