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Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom

Titel: Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ayse Auth
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gehen.«
    Gott sei Dank, das war’s dann wohl.
    »Gern wird es geschehen, wie Sie es wünschen«, bestätigt Bekirs Vater den Deal. »Wie gedenken Sie das zu bewerkstelligen?«
    »Unsere Moschee ist ganz in der Nähe«, informiert ihn mein Vater, »ich werde den Geistlichen bitten, unverzüglich vorbeizukommen, um das Paar zu trauen.«
    Spricht’s und verschwindet, um den heiligen Mann zu holen.
    Die entscheidende Phase des Rituals. Es kommt Bewegung in die Gästeschar. Mit selbstverständlicher Effizienz wird eine Blitztrauung vorbereitet. Eine Hochzeit im Schlafzimmer? Kein Problem für Allah! Kein Problem für Muslime! Babannes Gebetsteppiche werden ausgerollt, Bodenkissen für die Gäste ausgelegt, und ich muss sagen, wenn es in Susurluk außer der Moschee einen spirituellen Raum gibt, dann ist es dieses Sanktuarium meiner Großmutter.
    Eine Stunde später sind Bekir und ich vor Allah ein Ehepaar. Der Hotscha, wie könnte es anders sein, lässt es sich bei
Essen und Trinken schon gutgehen, da richtet mein Vater erstmals seit Wochen das Wort an mich.
    »Hier, meine Tochter! Nimm deinen Pass und geh mit Gott.«
    Wow! Jetzt habe ich es doch noch geschafft. Ohne weiteren Kommentar, ohne erkennbare innere Bewegung drückt er mir das Dokument in die Hand, dessentwegen er einst von der Polizei abgeholt wurde. Aber das ist Schnee von gestern. Für heute betrachtet mein Vater seine Mission als erfüllt: Das schwarze Schaf der Familie ist unter die Haube gekommen, egal unter welche. Hauptsache, die Ehre der Familie ist wiederhergestellt.

Ein Hochzeitstraum in Polyester
    Ankara, im Jahr 1986
     
     
     
     
    D as Heiratsgeschäft ist in trockenen Tüchern. Mein Schwiegervater bläst zum Aufbruch - immerhin sind es etwa fünf Stunden Autofahrt bis Ankara, und es gibt viel zu tun die nächsten Tage. Wie sich die Bilder doch gleichen: Abfahrt in einem voll besetzten deutschen Kleinbus, wieder einmal. Nur diesmal mit einer für mich neuen Familie. Wir passieren gerade das Ortsschild von Susurluk, da schießt mir etwas durch den Kopf.
    Ich bin gar nicht mehr dazu gekommen, Naile Teyze die Haare zu machen. Hoffentlich bringt das kein Unglück!
    Merkwürdig. Warum muss ich jetzt an mögliches Unheil denken? Merkwürdig aber war der ganze heutige Tag. Es fühlt sich so unwirklich an, dass ich jetzt hier neben einem Mann im Auto sitze, der mein Gatte sein soll. Mit knapper Not dem einen Ehegefängnis entkommen - nur um in ein anderes gesperrt zu werden? Nein, so will und so werde ich nicht denken.
    Ich fühle mich leer, wie ausgepumpt. Richtig gute Laune, so scheint es, will in unserer Fahrgemeinschaft auch sonst nicht aufkommen. Außer bei meinem zukünftigen Ehemann. Dem scheint es zunehmend zu gefallen, mir
nahe zu sein. Kaum sind wir auf der Landstraße, legt er den Arm um mich und flüstert mir ins Ohr:
    »Na, meine kleine Braut? Es wäre uns damals doch im Traum nicht eingefallen, dass wir eines Tages Mann und Frau würden.«
    Ich fühle, dass mein Körper steif wird unter seiner Berührung. Versuche, mir nichts anmerken zu lassen. Verdränge den Gedanken daran, dass wir nun füreinander bestimmt sind.
    Wieder so ein Moment im Leben, da mir meine Schwester fehlt.
    Hatice, wenn du wüsstest, was mir geschehen ist. Ich habe es hingekriegt, dass ich keinen Mann heiraten muss, der mir aufgezwungen wurde. Und nun heirate ich einen, dem ich mich aufgezwungen habe.
    Ich höre ihre Stimme in meinem Kopf antworten.
    Immer noch besser für dich, als in Susurluk festzusitzen. Und du bist das Beste für ihn, was ihm passieren konnte! Mach jetzt selbst das Beste draus!
    Pragmatisch wie immer, meine Schwester. Und habe ich nicht ein inneres Versprechen gegeben? Ja, so ist es. Jetzt heißt es wirklich, das Beste draus zu machen! Für mich und meinen Mann.
    Eines jedenfalls war jetzt schon klar: Meine Hochzeit würde ganz anders werden, als ich es mir in meinen Mädchenträumen zurechtgelegt hatte. Ein rauschendes Fest hatte es sein sollen! Mit meiner ganzen Familie und allen Verwandten, aber auch mit allen meinen Freunden und Weggefährten. Mein Brautkleid, ein einziger Traum! Aus zahllosen Lagen von Chiffon, sodass sich bei jedem meiner
Schritte eine Wolke hauchzarter Gewebe heben würde. Wie eine Fee aus dem Märchenland wollte ich darin aussehen, oder wie eine Königin. Und die Frisur: o là, là! Nein, keine verspielten Locken, keine aufgemaschelte Löwenmähne. Vielmehr ein betont schlichter Chignon, einfach fraulich-klassisch. Ein

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