Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
geschenkt …
»Mama, ich will auch Ramadan feiern«, nölt der kleine Tijen, den Daumen im Mund, und zieht Hatice am Kleid.
»Erst wenn du zwölf Jahre alt bist, darfst du fasten«, klärt seine Mama ihn auf. Und dann, auch in meine Richtung:
»Ja, und wenn du so alt bist, wird Tante Ayşe bestimmt gern mal mit dir nach Istanbul zur Oma fahren. Bei der wird alles noch genauso wie früher gemacht.«
Da muss ich jetzt doch lachen … Und ich kann mir eine weitere Anekdote aus dem Schatzkästlein der Familienerinnerungen nicht verkneifen.
»Da wir schon dabei sind: Ich muss euch noch etwas anderes erzählen.«
Erwartungsgemäß steigt die Spannung sofort wieder.
»Kinder, ratet mal, wobei ich euren Opa mal erwischt habe!«
Sie schütteln ratlos die Köpfe. Und platzen schier vor Neugier.
»Sag schon, Tante, was hast du mitgekriegt?«
Ich mache ein geheimnisvolles Gesicht. Und eine weitere lange Pause. So, wie die Wasserpfeife rauchenden türkischen Männer im Kahwe erst einmal einen tiefen Zug nehmen, bevor sie den neuesten Tratsch preisgeben.
»Ach, unser Baba Turhan, stellt euch vor: Einmal hab ich ihn tatsächlich während des Ramadan tagsüber beim Essen erwischt!«
Atemloses Staunen beim Nachwuchs. Blankes Entsetzen unter den Müttern.
»Echt? Baba hat heimlich gegessen? Unser Baba? Ayşe, erzählst du jetzt auch keinen Stuss?«
Gelassen blicke ich in die Runde und verneine ruhig und mit Entschiedenheit.
»Kaum zu glauben, nicht wahr? Aber ich habe es mit diesen meinen eigenen Augen gesehen. Ihr erinnert euch doch ans Garaj - oder? Dort am Busbahnhof waren sogar während des Ramadan die Restaurants geöffnet. Da saß er im Kahwe und hat seelenruhig gefuttert.«
Missbilligendes Murmeln und verwundertes Kopfschütteln unter den Müttern. Ratlose Blicke beim Nachwuchs. Keiner weiß jetzt so recht etwas zu sagen.
Schließlich war unser Vater überaus streng in allem, was die Religion betraf. Mit welcher Konsequenz er uns stets auf die Regeln und Gesetze des Islam hinwies! Auch in all den Jahren in Deutschland blieb er da unbeugsam. Nicht nur Fastenhalten während des Ramadan für die ganze Familie - nein, für unsere drei Brüder war dann noch jeden Freitag Mittagsgebet in der Moschee angesagt. Weibliche Wesen dürfen die heilige Stätte ja nur an hohen Feiertagen betreten.
Es ist Volkan, Naimes zwölfjähriger Sohn, ein aufgeweckter Bursche, der schließlich das betretene Schweigen bricht.
»Aber was ist denn so schlimm daran, was Opa gemacht hat? Kurtlar gibi açti karni - Hunger wie ein Wolf wird er gehabt haben.«
Mit kindlicher Unbefangenheit hat er mir eine Steilvorlage gegeben, um die Situation zu entspannen.
»Stimmt, Hunger wie ein Wolf hatte er ja immer. Also muss es ihm wohl viel schwerer gefallen sein als allen anderen, die strengen Fastenregeln einzuhalten.«
Unsere Runde zeigt sich immer noch leicht konsterniert und mag noch nicht wieder ganz locker werden. Da greift Hatice ein.
»Aber so einen kleinen Ausrutscher wollen wir ihm doch nachsehen, oder?«
Zeit, dass auch ich die Wogen glätte, die ich selbst heraufbeschworen hatte:
»Er war doch trotzdem ein ausgesprochen gottesfürchtiger Mann.«
Das ist der Punkt, an dem unsere Anführerin auf angemessene Weise das Wort ergreifen kann. Mit feierlicher Stimme, die Kinder fest ins Auge nehmend, verkündet Naime:
»Da hast du voll und ganz recht, Ayşe. Für unseren Baba gab es drei Dinge, die ihm wirklich heilig waren: der liebe Gott, das Vaterland - und seine Mutter.«
Nun ist es aber gut. Ich habe jetzt doch das deutliche Bedürfnis, von etwas anderem zu reden.
»Wisst ihr eigentlich, dass Hatice und ich in Istanbul bei einem ganz berühmten Astrologen waren? Wir haben uns zu unserem 42. Geburtstag eine Horoskopberatung gegönnt …«
Auch Naime scheint nicht unfroh, dass das Thema gewechselt wird.
»Schieß los. Was ist denn dabei herausgekommen?«
Erst räuspere ich mich vernehmbar, bevor ich berichte - ein untrügliches Zeichen, dass jetzt etwas Wichtiges folgen würde.
»Also … wir mussten ihm ja schon am Tag vor der Sitzung unsere genauen Geburtsdaten durchgeben. Und es ist völlig ausgeschlossen, dass er auch nur die kleinste Einzelheit über unser Leben wusste …«
»Aber trotzdem«, fällt mir Hatice ins Wort, »trotzdem war es ganz erstaunlich, was er alles über uns herausbekam.«
»Ja und? Was habt ihr erfahren?«
Naime steht die Neugier ins Gesicht geschrieben. Sie gibt es nie so recht zu, aber
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