Freiheit schmeckt wie Traenen und Champagner - Mein wunderbares Leben gegen den Strom
dankbar, dass wir vorübergehend bei dir unterkommen dürfen. Jetzt kann alles nur noch besser werden! Ich hoffe, wir gehen dir nicht auf die Nerven.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Hör auf damit! Ihr bleibt so lange, wie ihr wollt, und wenn ich sonst noch etwas für dich tun kann, lass es mich einfach wissen.«
Da war ich nun also zurück in Darmstadt. In jener Stadt, in der mein seltsames Leben seinen Anfang genommen hatte. Hier bin ich unverhofft aus meiner Mutter Bauch gezogen worden, hier war immer noch das Zuhause meiner Familie, die - bis auf Hatice und Cavidan - offenbar nichts mehr von mir wissen wollte. Die Welt, aus der ich kam: für mich ein einziger Trümmerhaufen. Die Welt, in die ich nun mit knapper Not gelangt war: eine Zukunft ohne Versprechen. Aber da war noch etwas anderes. Völlig neu und doch so wohlig vertraut. Ich konnte »es« noch nicht wirklich fassen und festhalten, aber doch mehr oder weniger deutlich spüren. Tief in mir. An jenem heiligen Ort, den ich längst vergessen und verschüttet glaubte. Es war … mein Glaube an mich selbst.
Dass ich dieses Gefühl, dieses Urvertrauen in jenen ersten Tagen in Darmstadt wiederfand, fegte meinen Kopf von allen faulen und finsteren Gedanken frei. Es erschien mir wie ein Wunder. Wie bei einem mir völlig unbekannten Menschen, den ich das erste Mal von Angesicht zu Angesicht sehen durfte, lernte ich erneut Seiten an mir kennen,
die mich immer geprägt und auch ausgezeichnet hatten. Optimismus, Schaffensdrang und Lebenslust kehrten in mein Gemüt zurück. Ich nahm mir fest vor, die Vergangenheit auch Vergangenheit sein zu lassen und stattdessen in die Zukunft zu sehen - und nur in die Zukunft. Neues Spiel, neues Glück. Zurück auf »Los!«
Kimin kalbinebüneşte açarsa - wem die Sonne ins Herz scheint, dem ist auch das Glück hold. Ich fand tatsächlich auf Anhieb einen Job in einem Friseursalon. Und sogar das Sozialamt sprang über seinen eigenen Schatten: Im Nu hatten wir eine Wohnung.
»Ein eigenes Zuhause, nur für uns beide, Cenk!«
Ausgelassen hob ich mein Söhnchen in die Luft und brachte ihn damit zum Jauchzen. Unsere Herzen sangen dieselbe Melodie!
»Cenk, weißt du was? Du bekommst sogar ein eigenes Zimmer!«
Was für ein Glück für eine alleinstehende, berufstätige Mutter mit Kleinkind: zwei Zimmer, Küche, Bad, mitten in der Stadt. Erschwinglich. Und sogar ganz hübsch möbliert. Im Kindergarten wartete schon ein freier Platz auf meinen Sohn. Da soll mir noch einer was über die Kälte und Trägheit der deutschen Behörden gegenüber Menschen in Not sagen. Vielleicht war ich ja eine Ausnahme, aber ich hatte mich in meinem bisherigen Leben noch nie so warm willkommen gefühlt wie damals, in jener grauen Industriestadt mitten in Deutschland.
Mein Glück war vollkommen, weil ich auch Hatice nun wieder öfter zu sehen bekam. Inzwischen geschieden, lebte sie fast nebenan, in Frankfurt. Sie hatte schon begonnen,
ihre Freiheit in vollen Zügen auszukosten. So würde auch ich jetzt leben! Unabhängig, trotz Mutterschaft. Mein eigenes Geld verdienen. Das Leben genießen. Nur in einem Punkt dachte ich anders als sie:
»Von Männern habe ich die Nase gestrichen voll«, erklärte ich ihr im Brustton der Überzeugung.
Nur: Ganze zwei Tage später sah das schon wieder völlig anders aus. Weil ich Georg kennengelernt hatte. Auf einem Weinfest. Ich wusste sofort: Der ist es! Diese ebenso einfache wie folgenreiche Erkenntnis traf mich wie der Blitz. Von einer Sekunde auf die andere wurde meine feste Absicht, ohne Mann zu leben, aus meinem Gehirn gelöscht. Ich hatte nur noch Augen für ihn .
Und wieder so ein Hübscher! Vom Äußeren her fast ein südländischer Typ. Dabei groß und breitschultrig, mit durchtrainiertem Körper. Und so gut gekleidet. Ich war hin und weg. Und ihm ging es umgekehrt genauso. Wir fühlten uns wie magnetisch voneinander angezogen. Vom ersten Abend an waren wir zusammen. Es sollten fünf Jahre werden! Mit die besten Jahre meines Lebens. Nicht nur als Mann und Frau, auch als Seelenpartner passten wir wunderbar zusammen. Deshalb hat mir diese Beziehung mehr als alles andere geholfen, meine verletzte Seele zu heilen.
Obwohl schon 25 Jahre alt, wie ich selbst, lebte mein neuer Freund noch bei seinen Eltern. Eine überaus bequeme Lösung für ihn. Er war ein Einzelkind, wie es im Buche steht. Seine Mutter, eine herzliche, offene Frau, verwöhnte ihn nach Strich und Faden. Auch zu seinem Vater, einem Reitlehrer, hatte er
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