Freiheit statt Kapitalismus
Bereitstellung eines bestimmten Angebots nur für eine bestimmte Zeit bekommen. Gerade sie haben nicht den geringsten Anreiz, Geld in kostspielige Langfristinvestitionen zu versenken. Ergebnis solcher Vernachlässigung können gravierende Sicherheitsrisiken sein.
In einigen Fällen kosteten die so erzeugten Rentabilitätsgewinne Menschenleben. Etwa im Falle der britischen Bahn, die im Zuge der Privatisierung in über 100 Einzelunternehmen aufgegliedert und einzeln verkauft worden war. Im Ergebnis war ein großes schwerfälliges und ineffizientes Firmengeflecht entstanden, in dem kein Fahrplan mehr zum anderen passte und jede Firma ihr eigenes Ticketsystem hatte. Da die einzelnen Betreiber die Lizenz zum Befahren einer bestimmten Strecke jeweils nur für fünf Jahre erhielten, investierten sie auch nicht mehr in die Waggons, die zunehmend verrotteten. Richtig gefährlich aber wurde, dass auch die Wartung der Schienen privaten Firmen überlassen worden war, die die nötigen Kontroll- und Reparaturleistungen auf ein Minimum reduzierten. Neben andauernden Verspätungen gingen fünf tödliche Eisenbahnunglücke auf das Konto schlecht gewarteter Gleise. Am Ende war die Situation so unhaltbar geworden, dass doch wieder Staat und Steuerzahler übernehmen mussten. Im Oktober 2001 meldete die Firmenholding Railtrack Konkurs an. Die Regierung zahlte den Aktionären eine Entschädigung von 200 Millionen Pfund und übernahm Schulden von 4,5 Milliarden. Railtrack wurde in eine öffentliche Stiftung umgewandelt, Bahnhöfe und Schienennetz wurden wieder verstaatlicht.
Die britische Bahn ist kein Einzelfall. Auch die Privatisierung des Eisenbahnverkehrs in Neuseeland wurde 2008 rückgängig gemacht, nachdem die privaten Betreiber das Bahnsystem nach dem Verkauf Anfang der neunziger Jahre hoffnungslos heruntergewirtschaftet hatten. In dem Bestreben, sich künftigen privaten Erwerbern möglichst rentabel darzubieten, hat die Deutsche Bahn exakt den gleichen Weg eingeschlagen. Seither darf es im Sommer nicht mehr zu warm und im Winter nicht mehr zu kalt werden, damit der Fahrgast Aussicht hat, sein gewähltes Fahrziel bei guter Gesundheit und in akzeptabler Zeit zu erreichen. Auch die Wartung der Berliner S-Bahn, die zum Bahnkonzern gehört, wurde aus Renditegründen verschlampt. Seit nunmehr anderthalb Jahren bringt der Investitionsstau den öffentlichen Verkehr in der deutschen Hauptstadt immer wieder zum Erliegen.
Ein europäisches Gegenmodell zu den privatisierten Bahnkatastrophen sind die schnellen französischen Staatsbahnen oder auch die vorbildlich pünktliche staatliche Schweizer Bahn. Zumal Letztere in dem bergigen Alpenland mit weit komplizierteren Naturgegebenheiten und Witterungsbedingungen zurechtkommen muss als mit jenen 50 Zentimeter Schnee, die bei der Deutschen Bahn schon als Extremsituation gelten. Der Erfolg des engmaschigen Schweizer Bahnnetzes ist dabei vor allem den stetig hohen Investitionen in den Ausbau von Schienen und Bahnbetrieb zu verdanken.
Verrottete Leitungsnetze
Aber nicht nur im Bereich der Bahn kann die Vernachlässigung der Infrastruktur schlimme Folgen haben. Es waren die der Liberalisierung folgenden, immer dürftigeren Investitionen in die Energienetze, die in Schweden, Kalifornien und Australien wiederholt zu Stromausfällen und Versorgungsengpässen geführt haben. Beispiele für die Ignoranz von Investitionserfordernissen durch private Betreiber gibt es auch auf dem Wassermarkt. Dem Unternehmen Thames Water, von 2001 bis 2006 Tochter des deutschen RWE-Konzerns, etwa ist die Wasserversorgung der britischen Hauptstadt mit 8 Millionen Wasserkunden anvertraut. Thames Water machte jahrelang saftige Gewinne, enthielt sich allerdings jeder Investition in das zunehmend marode LondonerLeitungsnetz und wurde daraufhin mehrfach von Gerichten wegen Umweltverschmutzung und Gefährdung der öffentlichen Gesundheit verurteilt. Da die Strafen offenbar aber immer noch billiger waren als die überfälligen Investitionen, zahlte Thames Water und machte weiter wie zuvor. Als schließlich in London mehr Wasser aus kaputten Rohren versickerte, als bei den Haushalten ankam, und die britischen Behörden Investitionen durch Auflagen erzwangen, verlor RWE das Interesse an dem Unternehmen und gab es an den nächsten Glücksritter weiter. Gut möglich, dass auch Thames Water, wenn der Sanierungsbedarf die Profitchancen gänzlich aufgefressen hat, wieder in der Hand des britischen Staates und auf dem Buckel des
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