Freiheit statt Kapitalismus
Gehaltsunterschieden von bis zu 30 Prozent etabliert. Die privaten Post-Wettbewerber Pin AG und Co. zahlen Hungerlöhne unter Hartz-IV-Niveau und räumen freimütig ein, dass ihr Geschäftsmodell genau darauf beruht. Als vor wenigen Jahren die Einführung eines Postmindestlohns von 9,80 Euro pro Stunde gesetzlich erzwungen werden sollte, um dem Dumpingwettlauf Grenzen zu setzen, bekämpften sie dieses Projekt mit härtesten Bandagen und dem Argument, andernfalls keine Überlebenschance zu haben.
Auch bei der Bahn liegen die Löhne der Wettbewerber deutlich unter denen der DB, die sich seit Jahren selbst durch Personalabbau und Lohndrückerei auf die Privatisierung vorbereitet. In der europäischen Elektrizitätswirtschaft ist sogar ohne Wettbewerbsdruck ein Beschäftigungsrückgang von 25 bis 50 Prozent seit der Liberalisierung zu verzeichnen. Sämtliche privaten deutschen Krankenhausbetreiber sind aus den Kollektivverträgen für den öffentlichen Dienst ausgestiegen und haben eigene Verträge ausgehandelt, die substantielle Verschlechterungen bei Löhnen und Arbeitsbedingungen enthalten.
Effizienz durch Ausbeutung
Job verloren oder ausgelagert, wachsender Arbeitsdruck und ungleicher Lohn für gleiche Arbeit, so sehen die Folgen von Privatisierungen für die Beschäftigten aus. Sinkende Kosten und die oft gepriesene höhere »Effizienz« privater Anbieter bedeuten also durchaus nicht, dass diese besser oder sparsamer wirtschaften. Die sogenannten »Effizienzgewinne« sind in der Regel lediglich ein Indikator dafür, dass die Mitarbeiter rücksichtsloser ausgebeutet werden.
Die FORBA-Studie kommt zu dem Schluss: »Zusammenfassend haben Liberalisierung und Privatisierung bisher einem Wettbewerbsmodell Vorschub geleistet, das zum Großteil auf einer Senkung der Lohnkosten und nicht auf gesteigerter Innovation und Qualität beruht.« 151
Dieses Wettbewerbsmodell hat natürlich auch mit dem für die Grundversorgung typischen
Wettbewerb um Märkte
zu tun. Anders als ein Leistungswettbewerb auf offenen Märkten findet ein Wettbewerb
um Märkte
fast ausschließlich auf der Preisebene statt. Was also liegt bei arbeitsintensiven Dienstleistungen näher, als die Kosten einfach durch rüdes Lohndumping nach unten zu treiben? Der Wettbewerb wird zum Dumpingwettlauf.
Service und Qualität auf Sinkflug
Dass sich mit rabiaten Kostensparprogrammen am Ende auch die Qualität der Leistungen und der Service verschlechtern – und nicht etwa verbessern –, liegt auf der Hand. Der »bessere Service« der Deutschen Post seit der Privatisierung etwa besteht für den Postkunden im Wesentlichen darin, dass sein Weg zum nächstgelegenen Postamt oder Briefkasten um einiges länger geworden ist. Es ist auch gewiss nicht zum Vorteil der Patienten, wenn sie in privatisierten Krankenhäusern von immer weniger Pflegepersonal betreut werden, das oft völlig überlastet ist. Auch der Trend, Hilfsschwestern anstelle voll ausgebildeter Krankenschwestern einzustellen, weil sie billiger sind, hebt nicht eben die Versorgungsqualität.
Selbst bei Gefängnisprivatisierungen geht die Kostenersparnis in der Regel auf schlichten Personalabbau zurück. Der Fall eines privatisierten argentinischen Gefängnisses, aus dem eine Gruppe schwerer Jungs im Sommer 2010 den Ausbruch schaffte, weil die Wärter auf den Gefängnistürmen aus Ersparnisgründen durch Puppen ersetzt worden waren, ging durch die Weltpresse. Die erfolgreichen Ausbrecher mögen diesen Service honorieren, aber ob er im Sinne der übrigen Bürger war?
Tödliche Rendite
Neben Löhnen und Qualitätsstandards gibt es ein weiteres Gebiet, auf dem die Kostenspürhunde der neuen privaten Versorger in der Regelfündig werden: die langfristigen Investitionen, die man sich – wie die übrigen auf
lean
und
mean
getrimmten Konzerne – unter Renditegesichtspunkten lieber schenkt. Das
Schwarzbuch Privatisierung
weist an vielen Beispielen nach: »Die typische Auswirkung der Liberalisierung auf die Infrastruktur ist die totale Vernachlässigung derselben – aus Kostengründen.« 152
Gerade der Erhalt von Netzen, seien es Schienen, Überlandleitungen oder Wasserrohre, erfordert viele teure und, kurzfristig betrachtet, unrentable Investitionen. Es ist ein typisches Kennzeichen von Privatisierungen, dass die privaten Anbieter derartige Investitionen entweder drastisch einschränken oder sich weiterhin öffentlich subventionieren lassen. Das gilt besonders für Unternehmen, die die Lizenz zur
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