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Freiheit statt Kapitalismus

Freiheit statt Kapitalismus

Titel: Freiheit statt Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sahra Wagenknecht
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Grundstoffindustrien staatlicher Mitsprache, was sich angesichts der Monopolposition dieser Unternehmen als sinnvolles Mittel erwies, um die Preise niedrig zu halten. In der Regel wurden die verstaatlichten Industrien durch einen Verwaltungsrat geleitet, der drittelparitätisch aus Repräsentanten der zuständigen Ministerien, der Benutzer und Konsumenten sowie der Beschäftigten zusammengesetzt war. Im Rahmen der Planification wurden den Unternehmen Zielvorgaben gemacht. Die operative Leitung erfolgte in allen Fällen autonom und war an wirtschaftlichen Kriterien orientiert.
    In dem Sammelband
Gemeinwirtschaft in Europa,
der 1962 von dem österreichischen Ökonomen und Wiener Universitätsprofessor Wilhelm Weber herausgegeben wurde, werden die Ergebnisse des französischen Modernisierungsprogramms wie folgt bewertet: »Der wirtschaftliche Aufbau der stark zurückgebliebenen Industrien wurde erreicht, die Versorgung der Volkswirtschaft mit den von den öffentlichen Unternehmen erzeugten Gütern in einem befriedigenden Maße sichergestellt. Durch den Wegfall der Kohleeinfuhren, eine starke Verringerung des Imports an elektrischer Energie sowie die von Jahr zu Jahr steigende Erdölproduktion wurde die Zahlungsbilanz wesentlich verbessert. Als der wichtigste Devisenbringer des Landes erwies sich die staatliche Automobilfabrik Renault.« 163 Auch die Bundeszentrale für politische Bildung stellt fest:
     
    »Der Beitrag der nationalisierten Unternehmen zur erfolgreichen Modernisierung des Landes ist unbestreitbar. Er trug mit dazu bei, dass die Franzosen bis Anfang der achtziger Jahre mehrheitlich der Meinung waren, verstaatlichte Unternehmen seien ein wirksames Mittel der Wirtschaftskraft und auch ein Instrument, wirtschaftliche Krisen zu bekämpfen.« 164
     
    Die sozialistische Regierung unter Mitterrand setzte ab 1981 weitere Verstaatlichungen in der Industrie und im Bankensektor durch, um die französische Wirtschaft von dem seit Mitte der siebziger Jahre spürbaren weltwirtschaftlichen Abschwung abzukoppeln. Die jetzt verstaatlichten Industriebetriebe waren allerdings überwiegend Unternehmenin finanziellen Schwierigkeiten, die saniert und vor dem Konkurs bewahrt werden mussten. Das betraf vor allem die beiden großen Stahlhersteller. Erneut sollten über einen Ausbau des öffentlichen Sektors die wirtschaftlichen Investitionen erhöht und Forschung und Entwicklung vorangetrieben werden. Tatsächlich lagen die Investitionen in den neu verstaatlichten Unternehmen weit über denen in der Industrie insgesamt. 1981 betrug der Abstand 44 Prozent, auch 1984 waren es noch 26 Prozent. Insgesamt tätigten die öffentlichen Unternehmen, die in der ersten Hälfte der achtziger Jahre 29 Prozent des Umsatzes der französischen Wirtschaft erwirtschafteten und 20 Prozent der Beschäftigung stellten, 52 Prozent der gesamten Investitionen.
    Mitterrands Politik war auch insoweit erfolgreich, als sie die französischen Wachstumsraten weit über den europäischen Durchschnitt erhöhte. Unter anderem dieses Konjunkturgefälle führte allerdings auf dem offenen EG-Markt zu einer Verschlechterung der französischen Handelsbilanz und setzte den Franc unter Abwertungsdruck, der durch Kapitalflucht zusätzlich verstärkt wurde. Am Ende musste Frankreich restriktive fiskalpolitische Vorgaben akzeptieren, um den Franc im europäischen Währungssystem zu halten. Damit war der Versuch, einen anderen Ausweg aus der Krise zu suchen als die neoliberalen Regierungen der Nachbarländer, abgewürgt und beendet. Ab 1986 folgte eine Privatisierungswelle, in deren Verlauf der Staat um kurzfristiger Erlöse willen einen Großteil seiner wirtschaftlichen Besitztümer verschleuderte.
    Mitterrand war gescheitert, allerdings nicht an einer »Misswirtschaft« in den verstaatlichten Unternehmen, sondern daran, dass er mit seinem Weg innerhalb der Europäischen Gemeinschaft isoliert geblieben und zudem mit der deutschen Regierung und dem restriktiven Kurs der Bundesbank in Konflikt geraten war. Eine Fortführung des französischen Weges wäre nur um den Preis der Wiedereinführung von Kapitalverkehrskontrollen möglich gewesen und hätte das Ausscheiden des Franc aus dem europäischen Währungssystem zur Folge gehabt. Diesen Preis wollte die französische Regierung nicht zahlen.
    Hinsichtlich der nationalisierten Industrien bleibt jedoch festzuhalten, dass sie ihre Investitionen nach der Verstaatlichung deutlicherhöhten und ihre Rentabilität großenteils

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