Freitags Tod
herausgeben.
»Dumme Pute«, sagte Conrad in den leeren Raum, als er auflegte. Aber man konnte schließlich auch von unterwegs telefonieren. Er nahm einen Schluck Kaffee, der inzwischen kalt geworden war, und fühlte sich ein wenig erleichtert. Es dauerte eine Weile, bis er darauf kam, woran es lag. Sein Kopfschmerz war weg.
Es war fast Mittag, als Conrad in Lette, einem Ortsteil der Kreisstadt, seinen Wagen volltankte. Anke hatte er nicht erreicht, nur die Mailbox meldete sich. Sie hätte getobt, wenn Conrad sie gebeten hätte, ihre Reise abzubrechen. Aber das hätte er lieber in Kauf genommen als Sammys traurigen Blick beim Abschied. Sven murmelte etwas wie »fahr mal, ich mach das hier schon«, ohne sich vom Monitor loszureißen. Gerade noch schob er ihm einen Ausdruck von der Kriminaltechnik hin. Die Faserspuren, die an der Leiche gesichert worden waren, hatte man den Kleidern der Familienangehörigen zuordnen können. Kein sehr beeindruckendes Ergebnis und nichtssagend zudem.
Seine Mutter würde er von unterwegs anrufen in der Hoffnung, sich auf keine längere Diskussion einlassen zu müssen. Sein Kopfschmerz meldete sich entfernt zurück. Aber sehr viel quälender spürte er den Druck in der Brust. Sammy. Er kaufte zwei Flaschen Cola und wunderte sich darüber, dass die Blondine an der Kasse ihr wunderbares Haar hatte abschneiden lassen. Dann stieg er in den Wagen, stellte die Tankanzeige auf Null und schob »Good Morning America« in den CD-Player. Auf dem Weg zur A 43 erreichte er endlich den Vertreter der Staatsanwältin. Seine junge Stimme klang überraschend zuvorkommend. Ja, die Mitarbeiterin habe ihm Conrads Anliegen übermittelt. Ja, er sei bereits dabei, das Auskunftsersuchen über die Bankverbindungen von Herrn Uwe Eck zu formulieren. Spätestens morgen gehe es dem Bundesamt für Finanzdienstleistungen zu. Wenn die Antwort eintreffe, würde er sich melden. Kein Problem, auf Wiedersehen.
»Wie ist noch mal Ihr Name?«, wollte Conrad wissen.
»Johannes von Braun.« Seine Stimme klang wie die eines Abiturienten. Die Staatsanwälte wurden auch immer jünger, dachte Conrad, aber mit der passenden Familie machte man seinen Weg geradlinig und reibungsarm. Sicher würde es einige Tage dauern, bis die Informationen vorlagen, darum konnte sich Julia kümmern. Julia, verdammt. Hatte sie Eck angetroffen? Conrad tippte ihre Nummer ein. Ein Streifenwagen kam ihm entgegen, und er versteckte das Handy unterm Armaturenbrett. Immer wieder hatte er sich vorgenommen, endlich eine Freisprechanlage anzuschaffen, und es genauso oft verschoben. Dann hielt er das Telefon ans Ohr. Julia meldete sich nicht, nur die Mailbox. Hatten heute eigentlich alle Frauen die Mailbox an? Vielleicht konnte sie nicht rangehen, weil sie mit Eck im Gespräch war.
Conrad bog auf die Autobahn ab, drehte die Musik laut und lehnte sich zurück. Die Klimaanlage fächelte ihm kühle Luft zu. Einen Augenblick hatte er das Gefühl, als lägen Zeit, Sommer und Abenteuer vor ihm. Dann kam »Ruby Tuesday«, und er dachte an Lilly. Er hatte sie nicht darüber informiert, dass er für einige Tage nach Neustrelitz fuhr und von da aus in ein Nest, dessen Namen er dauernd vergaß. Wolf Seidel hatte ihm ein Fax geschickt, auf dem alle wichtigen Daten zusammengefasst waren, es lag unter den Colaflaschen auf dem Beifahrersitz. Lilly. Nein, er würde sie nicht anrufen. Das ersparte er sich jetzt. Die Sonne stand hoch, wenig Verkehr, und die Straße lag vor ihm, wenigstens für ein paar Stunden noch. Wenn er zurück wäre, würde er mit ihr reden. Mit ihr, mit seiner Mutter, mit Anke, mit Julia, denn so konnte es nicht weitergehen. Wahrscheinlich kamen einfach zu viele Frauen in seinem Leben vor.
18
Auf dem Hof entdeckte Julia Ecks Benz mit heruntergeklapptem Verdeck, nachdem sie ihren Golf in der zweiten Reihe in einer Sackgasse geparkt hatte. Wenn Eck nicht im Altenheim war, seine Lebensabschnittsgefährtin ihn nicht verleugnete und er nicht die Regionalbahn benutzt hatte, um in Münster shoppen zu gehen, konnte er sehr weit nicht sein. Sie stieg in die zweite Etage hinauf und drückte die Klingel neben der Wohnungstür. Fast unmittelbar wurde geöffnet. Susanne Eichlers Augen weiteten sich. Julia schien nicht der erwartete Besuch zu sein. Um Mutmaßungen aus dem Wege zu gehen, hielt sie der Frau im Blümchenkleid ihren Ausweis vors üppige Dekolleté. Diese warf nur einen kurzen Blick darauf.
»Ich hätte gern Herrn Eck gesprochen«, lächelte sie.
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