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Freitags Tod

Freitags Tod

Titel: Freitags Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Kuhlmeyer
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Vielleicht ahnte sie, was mich erwartete. Mein Vater empfing mich wie den verlorenen Sohn, der endlich zurückgekommen war. Als ich ankam, bekam ich seine Frau kaum zu Gesicht, sie huschte wie ein Schatten durchs Haus. Nur am Sonntagnachmittag trug sie eine weiße Bluse über einem schmalen Rock, hatte das Haar aufgesteckt und mich lächelnd an den Kaffeetisch gebeten. Irgendwas stimmte nicht mit ihr , und ich mochte sie nicht. Sophie war sieben und ein Sonnenschein. Henry kam aus dem Internat zu Besuch. Er war nicht unsympathisch, aber sehr ernst. Überhaupt war es eisig in dem Haus. Als ich morgens in die Küche kam und Gottfrieds Frau Frühstück machte, sah ich die unzähligen blauen Flecken an ihren Armen. Als sie mich bemerkte, zog sie schnell eine Strickjacke über. Ab da wusste ich, was los war. Noch am selben Tag fuhr ich nach Hause.«
    Draußen dämmerte es. Conrads Gesicht spiegelte sich in der Scheibe. Seine Hände drehten den leeren Cognacschwenker. Diesmal übernahm er die Bestellung.
    »Haben Sie weiterhin Kontakt zu Ihrem Vater gehabt?«
    »Nein. Die eine Begegnung hat mir gereicht. Ich kann mit Leuten, die nicht ehrlich sind, nichts anfangen.«
    »Und zu Ihren Geschwistern?«
    Tom zögerte. »Ja, zu Sophie. Sie schrieb mir E-Mails, rief mich auch ein paar Mal an.«
    »Das ist alles?«
    »Ja.«
    »Dann frage ich mich, warum Ihr Vater Sie ausdrücklich und über den Pflichtteil hinaus als Erben einsetzen wollte, sofern Sie sich nichts zuschulden kommen lassen würden.«
    Tom hob die Schultern. »Ich mich auch. Ich habe ihn nicht darum gebeten.«
    »Seit wann wussten Sie davon?«
    »Seit dem Geburtstag von Sophie. Eigentlich wollte ich ihm nicht noch einmal begegnen, aber er passte mich an der Pension ab und machte einen auf guter Papa. Er schob mir fünfhundert Euro in die Jackentasche und sagte, dass man sich doch wiedersehen müsse, ich sei schließlich sein Erstgeborener. Das fällt dir reichlich spät ein, sagte ich.«
    »Das Geld haben Sie genommen?«
    Wieder zuckte Tom mit den Schultern. »Ich konnte es brauchen.«
    »Was glauben Sie, bezweckte er damit?«
    »Ich weiß es nicht, verdammt.«
    Tom kippte den Weinbrand in einem Zug hinunter. »Vielleicht plagte ihn sein schlechtes Gewissen, vielleicht wollte er den Kindern eins auswischen. Ich habe keine Ahnung. Ein paar Tage später erhielt ich jedenfalls einen Brief von ihm, dem die Kopie eines Testaments beilag, das mich begünstigte. Bin ich deshalb ein Mörder?«
    Das fragte sich Conrad auch. Mit seinem offenen Gesicht kam ihm Tom arglos vor, authentisch. Aber was hieß das schon? Hatte er nicht die unterschiedlichsten Menschen ausgesprochen glaubhaft lügen sehen, wenn es darum ging, die eigene Haut zu retten? Zwar empfand Conrad eine gewisse Sympathie für den Mann, aber das durfte ihn nicht darüber hinwegtäuschen, dass Tom ein knallhartes Motiv hatte. Andererseits: Er hätte ihm nicht erzählen müssen, dass er eine Kopie des Testaments besaß. War er also doch eine ehrliche Haut? Die Gedanken in seinem Kopf verwirrten sich. Nach dem dritten Weinbrand sollte man keine Ermittlungen mehr anstellen, dachte er. Plötzlich fühlte er sich erschöpft. Schlafen musste er, einmal richtig ausschlafen. Er fuhr sich mit der Hand durchs Gesicht, dann erhob er sich und zückte seine Brieftasche. Tom stand ebenfalls auf und wollte die Rechnung übernehmen, aber Conrad hob die Hand.
    »Das geht auf mich.«
    »Angst vor Bestechung?« Tom grinste. Ihm schien der Alkohol nichts anzuhaben, dabei hatte er Conrad mindestens um drei Bier und zwei Weinbrand überholt.
    Conrad lächelte auch. »Nein. So billig kämen Sie nicht davon. Vielen Dank für Ihre Offenheit, Herr Sebald. Wo kann ich Sie finden, wenn ich Sie noch einmal sprechen muss?«
    Tom nannte seine Adresse, eine, die Conrad bekannt vorkam. Er schrieb sie auf und würde sie mit der auf dem Fax vergleichen. Morgen.

22
    Das Wetter war umgeschlagen. Der Tag erwachte früh mit Tau auf den Dächern der Häuser. Conrad stand am offenen Fenster und fror. Nachts war er zitternd aufgestanden und pinkeln gegangen, danach hatte er keinen Schlaf mehr gefunden, bis er seinen Mantel über die dünne Decke gebreitet hatte. Tief sog er nun die klare Luft ein, eine Wohltat nach der Hitze der vergangenen Woche. Er duschte heiß, zog sich an und ging zum Frühstück in den Gastraum. Es war gerade acht. Ein Pärchen saß in der Ecke und kicherte. Es roch nach Kaffee und frischen Brötchen. Conrad wählte wieder den

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