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Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen

Titel: Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt David
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Tasche.“
    Ich tats. Wir tauschten Blicke, Blicke, die so verdächtig ausgesehen haben müssen, daß sich der Schaffner veranlaßt sah zu fragen: „Sie haben wohl noch keinen Fahrschein?“
    „Fahrschein schon“, antwortete Papa kühl, „aber vielleicht heben Sie mal die Tasche. Das muß doch etwas kosten bei dem Gewicht?“
    „Taschen sind frei!“
    „Schade.“
    Irgendwie mußte Tante Nelli von dem Gespräch etwas abgekriegt haben; denn sie rief von hinten: „Richard, du meine Güte, nein, so was.“
    Tante Nelli schob sich durch die Fahrgäste, die versuchten, trotzdem freundlich zu bleiben; und als sie vor Papa stand, schlug sie die Hände überm Kopf zusammen und einem kleinen Mann den Hut herunter. „Weißt du, was mir passiert ist?“ sagte Tante Nelli zu Papa, worauf der Hutmann bemerkte: „Das brauchen Sie mir jetzt nicht mehr zu erzählen.“
    „Was haben denn Sie damit zu tun?“ schimpfte die Tante den Herrn aus. Dieser schüttelte restlos entnervt den Kopf und hielt den wieder aufgesetzten Hut so fest an der Krempe, als wäre ein Orkan zu erwarten.
    Sehr höflich sagte Tante Nelli zu Papa: „Sei mir nicht böse, Richard, aber mir ist eingefallen, daß ich euch fünf Gläser Gurken mitgebracht hatte, und die stecken noch in meiner Tasche. Es ging bei euch alles so schnell.“
    „Es ging schnell, Tante“, wiederholte Papa traurig.
    „Ist es sehr schwer, Richard?“
    „Danke, ich kann nicht klagen.“
    „Mir tuts auch wirklich leid, Richard.“
    „Mir auch, aber dafür habe ich ja Urlaub, Tante.“
    Wir fuhren fröhlich weiter, mit den Gurken in der Tasche und der Gewißheit im Kopf: Es wird ein schöner Ausflug.
    Als wir ausstiegen, machte die Sonne gerade Mittag und lag hinter einer Wolke. Mama holte tief Luft und sagte: „Man merkt eben gleich, daß man woanders ist.“
    Papa setzte den Seesack ab, massierte sich die Arme. Und Tante Nelli beschrie die Schlucht mit Juhuuu und erfreute sich am Echo. „Das mach ich schon seit meinem ersten Schuljahr“, sagte sie.
    Nach einer kurzen Dienstbesprechung entschieden wir uns für einen Berg, der gut gebaut war und oben eine alte Ruine und ein Gasthaus hat. Ohne Fremdenführer kann man das Gasthaus leicht mit der Ruine verwechseln, weil in die Ruine mehr Geld gesteckt wird als ins Gasthaus.
    Die Tasche mit den Gurkengläsern stellten wir bei einem Fleischer ein.
    Ich wußte natürlich sofort, daß das für mich Folgen haben würde; denn Papa hatte nun sein Gleichgewicht zurück und mit Tante Nellis Tasche auch die Vertraulichkeiten abgestellt, die er mir im Autobus angedeihen ließ. Er konnte wieder pädagogisch werden. Und prompt sagte er: „Daß du immer an meiner Seite bleibst, Heinz. Im Jahre 1689, ich glaube, es war auch um diese Jahreszeit, ist hier einer abgestürzt.“
    Dann sagte Papa: „Und die Holzgeländer läßt du auch in Ruhe. Geländer sind nicht dazu da, daß man sich an ihnen festhält, sondern sich vor ihnen in acht nimmt.“
    Das geschah am Fuße des Berges.
    Wir standen auf einem Weg, besser gesagt, am Rande des Weges, und waren nicht die einzigen, die sich erholen wollten. Es waren noch ein paar Leute herausgekommen, um die Bergluft und die Stille genießen zu können. Die an uns vorbeimarschierenden Kolonnen rissen nicht ab. Es waren mehr Leute als Berg.
    Plötzlich befahl Papa: „Jetzt!“ Wir sprangen übermütig in eine Lücke, hatten uns in den Zug eingereiht und wanderten diszipliniert gen Himmel.
    „Oben haben wir dann eine sehr schöne Aussicht“, verkündete Papa.
    Hoffentlich, dachte ich, bis jetzt seh ich bloß lauter Beine.
    Mama verteilte Bonbons und reichte mir die Tüte mit dem Rest.
    „Die Tüte wird aber nicht weggeschmissen“, belehrte mich Papa. „In der Natur wirft man nichts weg.“
    Das war sowieso nicht möglich, da kein Platz mehr war, Papier wegzuwerfen. Manchmal wateten wir nur noch durch Schachteln, Büchsen und Flaschen.
    So umkreisten wir mehrmals den Berg, jedesmal auf einer höheren Ebene.
    „Ich hab Sand in den Schuhen“, jammerte Tante Nelli und wollte ausscheren.
    „Wärnse doch nicht erst mitgewandert“, schimpfte ein Bergfreund.
    „Sagten Sie wandern ?“ Bockig blieb Papa stehen, wenn auch nicht lange, weil die nachdrängenden Massen energisch zum Gipfel stürmten. „Mann, Sie halten ja den janzen Vormarsch uff“, meinte einer. Er schien einem fremden Stamme anzugehören; denn sein Haupt schmückte ein echter Papierhut mit Bommeln, Trotteln, Fransen und Federn, so daß

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