Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen
Papa ist immer für Steigerungen. Am liebsten hätte ich durch die Röhre gerufen: „Wie wärs mit Daumenschrauben und Kompottentzug?“
Dafür blieb Herr Haußmann vernünftig und sagte: „Ich will einen Deutschzirkel einrichten, mein Lieber, und zwar eine Stunde in der Woche. Wärst du einverstanden?“
„Und ob“, frohlockte Papa, „meinetwegen drei Stunden, Werner, oder vier!“
Herr Haußmann lachte. „Hast du denn so viel Zeit, Richard?“
Beinahe hätte ich jetzt laut gelacht.
„Wieso das?“ fragte Papa mißtrauisch.
„Ich meine natürlich einen Deutschzirkel für die Eltern. Mir gehts um die Eltern. Sie will ich in die Lage versetzen, ihren Kindern helfen zu können.“
„So.“
Und nun schwieg meine Röhre eine Zeitlang. Papa schien die Sache überhaupt keinen Spaß mehr zu machen. Er mußte sich erst umstellen. Bisher hatte er sich kühn mit Herrn Haußmann auf einer Linie gehalten, aber nun, das wußte ich, schaltete er um auf Verteidigung.
„Also, da soll ich Deutsch lernen! Ideen hast du! Nächste Woche kommt vielleicht einer und verlangt, daß ich Russisch herumquatsche, was?“
„Bleib doch mal sachlich, Richard.“
„Deutsch“, schimpfte Papa. „Bisher bin ich mit meine« Deutsch ganz gut ausgekommen.“
„Mit meinem Deutsch, heißt das, Richard.“
„Ach, nein so was, nun fängt der Herr Lehrer wohl schon mit der ersten Nachhilfestunde an?“
Wenn Herr Haußmann so weitermacht, dachte ich, schafft er ihn. Daß Papa so weitermacht, dessen war ich sicher. Denn bisher habe ich in meinem Tagebuch die Sprache meines Vaters immer ins Deutsche übersetzt. Dazu war ich natürlich in dieser Eintragung nicht bereit.
„Überleg dirs mal in Ruhe“, bat Herr Haußmann. „Von acht Leuten hab ich die Zusage.“
„Und die wollen alle von dir Deutsch gelernt bekommen?“
Das war ja wieder köstlich, was Papa da abschoß. Es mußte natürlich gelehrt bekommen heißen. Und prompt lehrte Herr Haußmann meinen Papa den Unterschied zwischen lernen und lehren.
Damit auch ich ein Vergnügen an der Stunde hatte, zählte ich Papas Fehler.
„Du hast eine nette Art, mich zu überzeugen“, bemerkte mein Vater. „Zweifelsohne verfährst du in der geplanten Stunde dann auch so rigoros mit uns, was?“
„Ohne Zweifel, Richard ...“
„Ich dacht mirs!“
„Nein, Richard, ich meinte doch: Zweifelsohne ist schlecht, ohne Zweifel besser. Und was die geplante
Stunde anlangt, werde ich die halten, wie es euch Freude macht. Hauptsache, ihr lernt etwas.“
„Und Diktate schreiben wir da auch?“
„Warum nicht?“
„Das kann ja lustig werden“, bemerkte Papa. „Am nächsten Tag unterhalten sich dann die Kinder darüber und sagen: Mein Vater hat gestern abend neunzehn Fehler gemacht und ich heut im Diktat bloß acht.“
„Ich werds ihnen nicht erzählen, Richard.“
„Ich auch nicht.“
Natürlich grinste ich hinter meinem Guckofen ein bißchen. Papa sagte: „Dir macht das scheinbar viel Spaß, den Leuten was zu - lehren, nicht?“
„Und ob“, antwortete Herr Haußmann, „vor allem dann, wenn man einen Erfolg sieht. Du hast zum Beispiel jetzt schon lehren gesagt, bravo, Richard.“
Während sie ein bißchen hin und her lachten, dachte ich: Es war anständig von Herrn Haußmann, daß er Papa nicht sagte, es müsse anscheinend statt scheinbar heißen. Schließlich muß man einen Anfänger in der ersten Stunde mehr loben als tadeln und darf ihn nicht gleich überfordern. Für Papa war das sowieso schon etwas viel. Trotzdem, mein Papa machte noch einen letzten Fluchtversuch. „Willste nicht lieber doch meine Frau zu der Sache nehmen?“
„Die ist im Elternbeirat, Richard. Und dann noch im Klassenaktiv, nein, das können wir nicht machen.“
Papas Finger trommelten. Er trommelte sich seine Entscheidung zusammen. Vielleicht zählte er auch seine Fehler; denn er sagte: „Hast du, Werner, die andern acht Leute auch so zielstrebig geprüft?“
Herr Haußmann verneinte und sagte, er könne das natürlich nur so mit denen machen, die er gut kennt und die einen Spaß verstehen. „Die andern hätten mich doch rausgeschmissen, Richard.“
„Na ja“, sagte Papa, „ich kann mir das schon denken. Bei denen ist es dasselbe Dilemma wie bei mir.“
„Das gleiche, Richard.“
Papa merkte die Berichtigung nicht, sondern sagte zu meiner Erheiterung: „Bloß gut, daß ich den Jungen rausgeschickt habe. Wenn er das hören würde, nein, nicht zum Ausdenken. Meine ganze Autorität
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