Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen

Titel: Freitags wird gebadet, aus dem Tagebuch eines Minderjaehrigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt David
Vom Netzwerk:
Abschied.
    Wir ließen sie natürlich in dem Glauben, auch wenn sich Papa nicht verkneifen konnte, zu hänseln: „Hättste mal lieber unsere Schübe ausgeräumt, da stünden wir jetzt anders da.“

6

    Nach diesem Ausflug und einem Diktat in der Schule kam Herr Haußmann die Dorfstraße herauf. Herr Haußmann ist unser Deutsch- und Geschichtslehrer. Ich blätterte hastig in meinem Tätigkeitsregister und fand nichts, was einen Elternbesuch notwendig gemacht hätte.
    Ich sah also durchs Fenster. Und als er zu unserem Fenster blickte, wußte ich Bescheid.
    „Guten Tag, Herr Haußmann!“
    Er stand da und fragte, ob Papa zu Hause sei.
    „Papa ja“, antwortete ich, „bloß Mama nicht.“
    „Ich brauche nur den Papa.“
    Und schon war mir einiges klar; denn wenn er nur den Papa brauchte, mußte es sich um etwas Spezielles handein. Vielleicht um UTP. Wir haben nämlich den „Unterrichtstag in der Produktion“ in Papas Genossenschaft. Es konnte natürlich auch etwas sein, was überhaupt nichts mit der Schule zu tun hatte, weil sich Herr Haußmann und Papa sehr gut kennen. Nicht nur von den Sitzungen, sondern vor allem durch die Stunden nach den Sitzungen im Gasthof „Zur Eule“.
    „Richard, ich muß mit dir was bereden“, sagte Herr Haußmann.
    Papa blickte mich entgeistert an und meinte zu meinem Lehrer: „Hat er was ausgefressen bei dir?“
    „Ach was, es geht mir um den Deutschunterricht. Du weißt ja selber, Richard, unsere Dorfkinder sprechen schlecht, und wer schlecht spricht, schreibt falsch.“
    Auf das schlechte Sprechen ging Papa vorsichtshalber nicht erst ein. „Wieviel Fehler macht er denn da so, mein Lieber?“
    Herr Haußmann fragte mich nach dem letzten Diktat. „Acht.“
    „Das ist der Gipfel“, schimpfte Papa, „acht Fehler.“ Er packte mich mit seinen Augen, daß wir eine ganze Zeit nicht voneinander loskamen.
    „Ich hab Kinder in der Klasse, Richard“, sagte Herr Haußmann, „die machen in dreißig Wörtern fünfundvierzig Fehler.“
    Das interessierte Papa überhaupt nicht, Papa interessierten lediglich meine acht Fehler. Und wenn die andern bloß Fünfen schreiben, für mich gilt nur eins: keine Fehler machen.
    „Acht! Das wird anders werden, Heinz, ganz anders, verlaß dich drauf“, drohte Papa.
    „Deshalb komme ich zu dir, Richard.“
    „Schönen Dank, Werner.“ „Du sollst mir nämlich dabei helfen, Richard.“
    „Darauf kannste dich verlassen, Wernerl“ Und zu mir gewandt, befahl er: „Zunächst fällt ab sofort Kino und Fußball weg, klar?“
    Ich nickte vor Schreck.
    Papa tat nun so, als wäre das Thema beendet. Er schien zu denken: Haußmann hat mir das von den acht Fehlern gesagt, ich habe meine Sofortmaßnahmen getroffen und eine empfindliche Strafe verhängt.
    Doch hier irrte Papa; denn mein Lehrer blieb sitzen. Obwohl Herr Haußmann unsere Klasse erst vor kurzem übernommen hatte, wußte ich, daß er sich mit so einem Ergebnis nicht zufriedengab.
    „Und da komme ich zu meinem eigentlichen Anliegen, Richard“, sagte er.
    Ja, auf Herrn Haußmann ist Verlaß. Genauso ist er in der Schule. Wenn wir ihn etwas fragen, und er weiß es mal nicht, sagt er ungeniert: „Da seh ich zu Hause nach.“ Und dann sieht er nach und sagt es uns. Schließlich kann ein Lehrer nicht alles wissen; und die so tun und auf alles eine Antwort haben, mögen wir nicht, weil sie uns nicht ernst nehmen und manchmal beschummeln. Herr Haußmann nimmt uns ernst. Er hat auch schon mit unter der Prominentenpalme gestanden. Und nun also hatte er ein Anliegen.
    „Heinz!“ Papa winkte mich mit einer energischen Kopfbewegung aus der Stube. Sicherlich vermutete er, daß ihm Herr Haußmann noch einige Geheimtips geben werde, die ihn befähigten, mir gutes Deutsch beizubringen.
    Ich verließ die Stube, öffnete die Korridortür, schloß sie wieder, ohne hinausgegangen zu sein, und schlich in die Küche.
    Wir haben nämlich einen Guckofen, der in der Wand zwischen Stube und Küche steht. Und der Guckofen hat eine Röhre. Stellt man in der Küche einen Topf in die Röhre, kann man ihn in der Wohnstube herausnehmen. Hätten wir keinen Guckofen, könnte ich das folgende Gespräch nicht in mein Tagebuch eintragen, und damit wäre die Geschichte unvollkommen.
    Von nun an übertrug mir die Ofenröhre die weitere Unterhaltung.
    „Richard, Kino und Fußball allein machens nun auch wieder nicht.“
    „Du meinst, ich müßte mir noch eine strengere Bestrafung einfallen lassen?“
    Natürlich, dachte ich,

Weitere Kostenlose Bücher