Fremd flirten Roman
gruppierten sich alle auf der Straße vor meinem Geschäft, jeder ein Glas Taittinger in der Hand.
»Es geht los. Eins, zwei, drei!«, rief ich voller Vorfreude und enthüllte das Schild, das den Namen meiner neuen Existenz preisgab. In schönen, klaren Kupferbuchstaben, genau so, wie ich es mir vorgestellt hatte, stand da zu lesen: Neuröschen.
»Neuröschen! Ich fass es nicht!« Anne lachte beinahe Tränen, und Axel stimmte mit ein.
Vicky, die zwar schon ganz gut lesen konnte, verstand dentieferen Sinn des Namens nicht. »Ist das eine Blume? Eine Rose?«, rätselte sie und hüpfte dabei von einem Bein aufs andere.
»So ähnlich. Das ist ein abgewandelter Begriff aus der Psychologie, eigentlich heißt es ›Neurose‹. Neurose-Patienten habe ich in meiner Praxis früher vorwiegend behandelt. ›Neuröschen‹ hat damit einen Bezug zu meinem alten Leben, gleichzeitig ist das Wort ›neu‹ enthalten. Das steht für Neuanfang. Und wegen des Teilnamens ›Röschen‹ habe ich auch die Rosen-Tapete ausgesucht. Außerdem klingt Neuröschen nach Dornröschen, und da ich die letzte Zeit in Berlin wie in einem tiefen Schlaf verbracht habe, fühle ich mich jetzt wie wach geküsst!«
Axel klopfte mir auf die Schulter. »Ich mag den Namen. Und er passt super zur Einrichtung und zum deutschen Konzept. Einen englischen Geschäftsnamen hätte ich nicht passend gefunden, und auch wenn ›Neuröschen‹ für die Engländer erst mal nicht leicht auszusprechen ist, wird der Name sich durchsetzen und etwas Besonderes werden. Engländer lieben Namen mit Geschichte und Bedeutung. Die Erklärung musst du allerdings unbedingt in den Prospekt aufnehmen, damit die Vieldeutigkeit hier auch verstanden wird.«
Anne erhob das Glas. »Auf Stella, deren Mut belohnt wurde und die ihr neues Glück in England gefunden hat! Und auf ihr neues Projekt, das Neuröschen!«
Wir stießen alle an, Anne nahm einen Anstandsschluck, die Kinder tranken Orangensaft, und dann lagen wir einander selig in den Armen.
Am Montagmorgen, dem Tag der Eröffnung, wachte ich mit einem mulmigen Gefühl im Magen auf. Heute würde sich zeigen, wie mein Konzept ankam.
Hinzu kam, dass meine Eltern anreisten, und natürlich wollte ich, dass sie mit einem guten Gefühl nach Deutschland zurückkehren konnten, in der Gewissheit, dass es mir gut ging und sie sich keine Sorgen um mich zu machen brauchten.
Bisher kannten sie Räumlichkeiten und Mobiliar nur von Fotos, die ich regelmäßig gemailt hatte, aber live und in Farbe war dann doch noch mal alles anders.
Plötzlich hörte ich Tuscheln und leises Getrappel auf der Treppe. Langsam wurde die Türklinke heruntergedrückt, und Vickys blonder Schopf lugte ins Zimmer.
»Bist du schon wach? Wir haben eine Überraschung für dich!« Sie öffnete die Tür weiter und balancierte vorsichtig ein Tablett mit Frühstück an mein Bett. Eine wackelige Angelegenheit, aber zum Glück ging nichts daneben. Leo, noch im Schlafanzug, sah wieder zum Fressen süß aus. Er tappte mit einem eingepackten Geschenk in der Hand hinter Vicky her.
»Das ist für deinen Shop. Ein Geschenk von mir und Vicky. Das bringt dir Glück!«, sagte er feierlich und überreichte mir mit ernster Miene das Päckchen.
Die beiden kletterten zu mir aufs Bett und sahen mir erwartungsvoll dabei zu, wie ich das Papier abstreifte.
Zum Vorschein kam ein wunderschönes Schwarz-Weiß-Foto von Vicky und Leo, das hier in Brighton am Strand aufgenommen worden war und die beiden Kinder beim Muschelsuchen zeigte. Der Wind hatte Vickys Haare leicht zerzaust, was dem Bild Dynamik verlieh. Das bewegte Meer im Hintergrund, vor dem ein lachender Leo mit einem Seestern in der Hand über den Strand tanzte, gab dem Foto eine ungeheure Lebendigkeit. Der weiße Holzrahmen war schlicht, aber sehr massiv.
Das Bild würde perfekt ins Neuröschen passen!
»Danke, ihr beiden! Das Bild hänge ich an der Wand hinterder Theke auf. Dann seid ihr immer bei mir!« Ich drückte die zwei fest an mich und gab ihnen einen Kuss. Sosehr ich mich auf mein eigenes Geschäft freute, sosehr würde ich meine beiden kleinen Racker vermissen, auch wenn ich sie nach wie vor regelmäßig sehen und auch gern auf sie aufpassen würde.
Das Gute war, dass ich zwei feste Mitarbeiter eingestellt hatte und vier deutsche Studentinnen, die in Brighton studierten, als Aushilfskräfte gefunden hatte. So würde ich nicht immer im Neuröschen sein müssen, sondern konnte auch einfach einmal einen Tag freimachen oder
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