Fremd flirten Roman
nichts vorstellen konnte, war total relaxed. Solange Vicky mitkam, war ihm alles egal.
Zum Glück lag der Kindergarten in Hampstead nicht weit von der Pilgrims Lane entfernt, und mit etwas Tempo schafften wir es – zwar mit hochroten Gesichtern und außer Puste – gerade noch pünktlich zum Gong. Immerhin hatten wir als Deutsche in England einen Ruf zu verlieren, denn Pünktlichkeit ist eine derTugenden, die uns bis heute nachgesagt werden. Der Kindergarten und die angrenzende Grundbeziehungsweise Vorschule lagen geschützt hinter hohen Backsteinmauern. Nachdem wir uns ausgewiesen hatten, wurden wir durch das große Tor gelassen und zum Kindergarten geführt. Wunderschön begrünt mit alten Bäumen, lagen die zwei kleinen, hellen Häuser im viktorianischen Stil vor uns. Ein großer Spielplatz mit Schaukeln, Rutschen und Sandkästen lud zum Spielen ein. Niedliche Kinder in der Schuluniform, die wir an diesem Morgen auch Vicky und Leo angezogen hatten, tollten unter den aufmerksamen Augen zweier Erzieherinnen umher.
»So, und ihr beiden müsst Victoria und Leonard sein«, begrüßte uns eine sehr attraktive rothaarige Frau freundlich, die sich als Leiterin der internationalen Grundschule entpuppte, der ein Kindergarten angeschlossen war. Sie sprach ausgezeichnet und akzentfrei Deutsch und stellte sich als Susan Moore vor. Wie sich herausstellte, hatte sie einige Zeit als Austauschschülerin im Schwarzwald verbracht und später einige Semester in Deutschland studiert.
»Wer ist Victoria?«, fragte Leo verwundert, der noch nicht mitbekommen hatte, dass Vicky eigentlich Victoria hieß. Zu Hause nannte sie niemand so, nicht einmal dann, wenn sie Mist gebaut hatte.
Susan lachte laut auf. Sie hatte Humor, das hatte ich gleich gemerkt. Die Kinder mochten sie auf Anhieb und hatten kein Problem, bei ihr zu bleiben.
»Wir haben momentan drei andere deutsche Kinder im Kindergarten, sodass Leo und Victoria sich nicht völlig fremd fühlen werden. Jeden Morgen bekommen die neuen Kinder aus Grundschule und Kindergarten in einer kleinen Gruppe gesondert Sprachunterricht. Keine Sorge, das passiert spielerisch, und dieKinder lieben es«, erklärte Susan, die diesen für Engländerinnen so typischen Porzellanteint hatte.
Susan verabschiedete sich und nahm Vicky und Leo mit, die sich bereitwillig an die Hand nehmen ließen und so taten, als wären wir überhaupt nicht mehr vorhanden. Sie wollten jetzt mit den anderen Kindern spielen gehen.
»Besser so als andersrum!«, stellten Anne und ich unisono erleichtert fest, denn gerade bei Leo hatten wir uns auf eine Heulorgie eingestellt.
»Das gibt’s doch nicht, welch ein Zufall!«, erklang eine uns nur allzu gut bekannte Stimme hinter uns. Wir mussten uns nicht umdrehen, um zu wissen, mit wem wir das Vergnügen hatten.
»Margit! Ja, die Welt ist klein, nicht?« Anne rang sich ein Lächeln ab. Margits nervige Kinder, die ja schon ein wenig älter waren, besuchten hier die Grundschule. Natürlich hatten wir das gewusst, aber dass wir ihr gleich am ersten Tag in die Arme laufen mussten, grenzte schon an Grausamkeit. Natürlich brachte die Supermama die lieben Kleinen jeden Tag zur Schule und holte sie wieder ab, obwohl sie quasi nur einen Steinwurf entfernt wohnten.
Margit war heute aus irgendeinem Grund geradezu unerträglich gut gelaunt. Normalerweise sollte man meinen, gut gelaunte Menschen könnten keine schlechte Atmosphäre verbreiten, doch das war in Super-Margits Fall weit gefehlt. Denn ihre gute Laune schloss andere stets aus und hatte eine triumphierende Note.
Aufgeregt fuchtelte sie mit den Armen in der Luft herum und legte sofort los: »Ihr glaubt nicht, was ich hier in meinen Händen halte! Ratet mal!« Ihre Stimme überschlug sich förmlich.
Keine Ahnung. Heikos Gehaltsscheck? Oder ihren Stammbaum, der überraschenderweise eine Verbindung zum englischen Königshaus nachwies?
Anne und ich zuckten gleichgültig mit den Schultern, was Margit nicht störte. Die Nachricht schien wirklich gut zu sein.
Sie holte tief Luft, machte eine bedeutungsschwangere Pause, zog schließlich eine Karte aus ihrer Handtasche und las feierlich vor:
»Lady Chloe Rutherford und Lord Edward Stetton laden zu ihrer Vermählung am ersten September auf Rouseham ein.«
Sie las weiter, aber ich konnte nicht mehr zuhören. In meinen Ohren rauschte es, und mir war, als hätte mir jemand die Füße weggezogen.
Margit machte eine kleine Pause, sah mich an und fragte dann zuckersüß:
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