Fremd flirten Roman
dieses wunderbare Geschäft übernehmen.
Selten war ich mir einer Sache so sicher gewesen, und im Geiste sah ich einen kleinen deutschen Spezialitätenladen mit deutschem Vollkornbrot, mit Laugenbretzeln, importierten Würstchen, Schwarzwälder Kirschtorte, deutschen Weinen – Riesling und Gewürztraminer –, frischen Spätzle … Alles, was es hier noch nicht gab, aber den Engländern bestimmt schmecken würde, wollte ich feilbieten. Alles, was ich selbst in diesem Land vermisste.
Voller Begeisterung weihte ich die Wilsons in meinen Plan ein. Und während ich ihnen mit glühenden Wangen ausmalte, wie man die vielen Sorten Schwarzbrot auslegen könnte, und erklärte, was selbst gemachte Maultaschen waren, wurden die beiden, die mich anfangs skeptisch angeschaut hatten, immer zutraulicher. Nach und nach fragten sie mich geschickt aus.
Bevor ich michs versah, hatte ich vor ihnen mein gesamtes Leben ausgebreitet, inklusive der Misere mit Konrad. Auch dass ich plante, meinen Beruf zu wechseln, vertraute ich ihnen an.
»Oh dear, da haben Sie ja in letzter Zeit was durchgemacht! Und Sie sind sicher, dass das nicht nur eine vorübergehende Idee ist, eine Flause, um sich abzulenken? Wissen Sie, das hier ist harte Arbeit und kein Zuckerschlecken, auch wenn sie sehr viel Freude mit sich bringt.«
Das war mir trotz des Adrenalinschubs sehr bewusst. Arbeiten konnte ich, und ich hatte ja auch auf keinen Fall vor, mich auf die faule Haut zu legen! Ich wollte einfach etwas anderes, Neues versuchen, an dem Ort, an dem ich leben wollte, und mit den eigenen Händen. Gespräche würden sich in diesem Lädchen von selbst ergeben, denn Kontakt mit Menschen hatte man hier sicher zur Genüge. Und wenn die Stammkunden mir erst mal ihr Herz ausschütteten, würde ich sie nebenbei therapieren können – aber nur, wenn ich es wollte.
Mir war klar, dass eine Menge Arbeit auf mich zukommen würde und ich mindestens noch ein bis zwei Aushilfen brauchte, die mich im Laden unterstützen beziehungsweise ablösen konnten. Aber mit der Selbstständigkeit hatte ich genügend Erfahrung. Um die Steuererklärung und die Buchhaltung hatte ich mich in Berlin immer selbst gekümmert. Ja, ich traute mir dieses Unterfangen zu.
»Wie viel soll das Geschäft denn kosten?«, fragte ich und hieltden Atem an, weil in England die Preise für Immobilien immer horrend waren. Außerdem hörte sich ein solcher Betrag in Pfund noch höher an.
»350.000 Pfund, inklusive Mobiliar.«
Ja, das hatte ich befürchtet. Mein Erspartes belief sich auf gerade mal 50.000 Euro. Das hieße, ich müsste einen Kredit aufnehmen und hätte so ein großes Risiko zu tragen.
Tapfer versuchte ich, mir meinen Schreck nicht anmerken zu lassen, steckte eine Visitenkarte des Lädchens ein und verabschiedete mich von den Wilsons. Zuvor versprach ich, mich bald zu melden, um ihnen mitzuteilen, ob ich nun ernsthaft kaufinteressiert wäre.
Völlig aufgewühlt war ich in unserem Wochenendhäuschen angekommen und hatte Axel und Anne sofort von meiner Entdeckung und meinen Plänen erzählt.
Axel kannte das Geschäft und geriet auch ins Schwärmen. »Da kommst du rein und denkst, die Zeit ist stehen geblieben, aber auf eine schöne und sehr gepflegte Weise. Ich kaufe manchmal nach dem Laufen dort Brötchen. Das sind die, die ihr immer so lecker findet. Und dieser Blick aufs Meer ist sensationell!«
Das war er tatsächlich. Anne, die aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität noch nie dort gewesen war, zeigte ich einige Fotos, die ich mit meiner Handy-Kamera geschossen hatte. Auch sie war sofort entzückt, und zu meinem Erstaunen fanden beide meine Pläne überhaupt nicht abwegig oder verrückt, im Gegenteil. Axel glaubte an die Geschäftsidee.
»Ich kenne so viele Deutsche, die hier leben und ihr gutes Brot und andere Spezialitäten von zu Hause vermissen, und viele Engländer, die von deutschem Essen schwärmen. Das Geschäft wäre ein Renner, zumal es wirklich etwas Einzigartiges wäre.«
Anne nickte begeistert. »Du könntest hierbleiben, und wirwürden uns jedes Wochenende sehen. Und unter der Woche könntest du auch mal schnell nach London kommen. Ist ja nicht weit!«
Ich freute mich, dass die beiden mich so unterstützten. Wie erwartet verschonten sie mich mit Kommentaren wie »Aber wofür hast du dann so lange studiert und sogar promoviert?«. Sie kannten mich eben sehr gut und wollten mich vor allem glücklich sehen. Und glücklicher als in der letzten Zeit in England war ich
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