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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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halten und dadurch erregt werden, dass irgendwelche Menschen in Castrop-Rauxel oder Bamberg sich darauf einen runterholen. Ich gehe einfach mal in den Raum »Hessen suchen Hessen für mehr«. Hört sich doch ganz nett an. Sofort erscheint ein Telegramm auf dem Monitor. »Hi!«
    Wie intelligent er schreiben kann, der Ralf MTK 06196 . Na ja, antworten kann man ja mal. Also schreibe ich »Hi« zurück.
    »Bist du nass?«, will er wissen.
    Bäh. Auf Abbrechen gehen. Aber ich will doch einen Mann, einen Mann, einen Mann. Ich könnte hundert haben heute Abend. Aber alle fragen nur nach einem spontanen Date oder ob ich dicke Dinger habe und auf Natursekt stehe (Eigenurinbehandlung ist auch so eine Sache, der ich nichts abgewinnen kann: Heda, guten Morgen. Schnell raus aus den Federn und ab ins Bad. Aber nicht, um da aufs Klo zu gehen, sondern um das Pipi brav in ein Glas abzufüllen und lauwarm zu trinken. Entgiftet den Körper und macht schön. Bababa.)
    Da, »MikeGanzNormal 39 « telt mich an. Ganz normal, ganz normal. He! Das ist ja Klasse.
    Er schreibt: »Na, was machst du denn so allein zu Haus?«
    Ich antworte, dass ich gerade in einer Kneipe war und jetzt heimgekommen wäre und einfach so ein bisschen rumchatte. Von Mike erfahre ich, dass er Ingenieur ist und in Oberursel bei Frankfurt lebt.
    DER MANN MACHT IN DEN TELEGRAMMEN NOCH NICHT MAL RECHTSCHREIBFEHLER !!! Er baggert mich nicht einmal an, sondern ist ausgesucht höflich und freundlich. Außerdem 1 , 85 groß, braune Haare und eine randlose Brille. Ein Intellektueller also auch noch. Er fragt, ob ich auch penetrant von so Nervsäcken angetelt werde (penetrant – er weiß mit Fremdwörtern umzugehen). Ich sage, dass ich lange nicht online war und so weiter und so weiter und er fragt letztendlich, ob ich nicht mal Lust hätte, mit ihm zu telefonieren.
    Gern, gern, Mike. Moment, ich hole nur eben Stift und Zettel. Wo sind bloß Stift und Zettel? Hektisch greife ich um mich. Die drei viertel volle Weinflasche ergießt sich über meine Tastatur und droht gegen meinen Monitor zu krachen. Geistesgegenwärtig schiebe ich den Monitor nach hinten.
    Ein wenig zu weit. Er fällt mitsamt der Tastatur auf den Boden. Habe ich Ihnen eigentlich schon gesagt, dass ich manchmal ein wenig schusselig bin?
     
    MikeGanzNormal 39 wartet mit Sicherheit noch einige Minuten in meinem zerstörten Monitor, bevor er sich fragt, auf welchen Fake er da reingefallen ist. Ich werde MikeGanzNormal 39 NIE wieder sehen.
    Ich weiß es. Ich weiß es. Ich weiß es. Ist auch ein bisschen schlecht ohne PC .
    Dann geh ich eben jetzt ins Bett. In mein knatschrosa Bett in meinem knatschrosa Schlafzimmer. Ich hasse Rosa.

10

    Am nächsten Tag gehe ich nach der Arbeit zu Susanne. Sie ist immer noch pikiert. Einen unmöglichen Umgang, den ich da hätte. Wenn Michael das wüsste! Ja und? Der würde es sofort wieder vergessen und an seinen Toten weiterschnippeln. Überhaupt – ich hätte mich so verändert. Früher hätte ich ein ganz normales Leben geführt und jetzt. Und jetzt! Da tanze ich mit Transvestiten und Zuhältern auf der Straße und sehe auch noch lachend zu, wie ein weiterer Krimineller die Peitsche schwingt. Erregung öffentlichen Ärgernisses nennt man das, sagt sie. Ob ich ein Glas Champagner möchte? »Ja bitte«, sage ich.
    »Du kriegst aber keins!«, keift Susanne mich an. »Ganz offensichtlich hast du in der letzten Zeit dem Alkohol mehr zugesprochen, als es dir gut getan hätte! Auf offener Straße. Am helllichten Tag. Meine Güte!« (Hallo, mein Name ist Carolin und ich bin Alkoholikerin.) »Aber nur zu!«, entrüstet sich Susanne weiter. »Mach dich nur zum Gespött der Leute. Nur zu. Nur zu. PASS DOCH AUF !!!« Ich bleibe erschrocken stehen. »Geh doch weiter!!!«, brüllt Susanne. »Ja, wohin denn?«, antworte ich verzweifelt.
    »Siehst du denn nicht, dass du auf dem chinesischen Seidenteppich stehst. Da SOLL niemand drauf laufen.«
    »Warum legt ihr ihn dann auf den Boden?«
    »Na, wohin soll man einen Teppich denn sonst legen???«, ruft Susanne. Ab und zu stimme ich der Aussage zu, Frauen seien nicht zu verstehen. Susanne entlässt mich schließlich mit den Worten, ich sei wahrscheinlich in einer Art vorzeitiger Midlife-Crisis. Das würde ganz schnell gehen. Ab Mitte dreißig fühle man sich nicht mehr vollwertig. Die ersten grauen Haare fingen an zu sprießen, man bekomme irgendwann einen Damenbart und brauche Stützstrümpfe aus der Apotheke, um Krampfadern vorzubeugen. Zum

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