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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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Morgen. Morgen fange ich damit an.
    Pitbull kriegt nach dem dritten Bier wieder einen seiner sentimentalen Anfälle. In jungen Jahren ist er bei der Marine gewesen (»Ich sag dir, ich war 17 , hab im ›Silbersack‹ auf der Reeperbahn gesessen, einen Jubi nach dem anderen gesoffen und drauf gewartet, dass es Morgen wird und ich endlich auf die ›Barbarossa‹ konnte. War das heiß in Afrika, was haben wir geschwitzt. In Hängematten mussten wir schlafen und hatten alle Malaria. Und die Haie! Die Haie haben uns die ganze Strecke verfolgt. Es waren weiße Haie! Die verirren sich manchmal in die Elbmündung. Einer sprang vor der Werft von Blohm & Voss so hoch, dass er komplett aus dem Wasser war. Acht Meter, das Teil. Acht Meter, wenn nicht zwölf.«). Man darf nicht den Fehler machen, ehrfürchtig aufzublicken und zu sagen: »Was? Du bist zur See gefahren! Das ist ja un-glaub-lich! Erzähl!« Dann nämlich hat man für den Rest seines Lebens verloren und muss sich anhören, wie er Pottwale mit der bloßen Hand zerquetscht hat. Am liebsten allerdings erzählt er die Geschichte von seiner schlimmen Seekrankheit. Angeblich war er so seekrank, dass er seinen MAGEN auf die Schiffsplanken gekotzt hat und danach freiwillig über Bord gesprungen ist, um seinem Leben ein Ende zu setzen. Zum Glück kam damals ein netter Delphin und schleuderte ihn an Deck zurück, wo man ihn seinen Magen wieder runterschlucken ließ und ihn zur Backschaft verdonnerte. In irgendeiner Geschichte kommt auch ein Flugsaurier vor, der aus dem Nichts auftauchte und einen skorbutkranken Schiffsjungen einfach in den Schnabel nahm und mit ihm davonflog. Die Mütze, die der Schiffsjunge damals verlor, liegt jetzt angeblich in einem Glasschaukasten eines Schifffahrtsmuseums in Papua/Neuguinea.
     
    Ich bin froh, als Tom endlich klingelt.
    Hut ab! Er hat sich richtig gut vorbereitet. Das ist das Gute daran, wenn man in der SM -Szene gelebt hat. Kaum zu glauben, was da alles auf seiner Liste steht. Handschellen mit Gelenkschutz, ohne Gelenkschutz, Handhebefesseln, Fußhebefesseln, Karabinerhaken, Andreaskreuz, Eisenringe, Seile in verschiedenen Längen und Dicken, Schuhe mit Dornen, Springgerte, Dressurgerte, Peitschen mit fünf Riemen, Peitschen mit 23 Riemen, Rohrstöcke, Augenbinden, Knebel und was weiß ich nicht noch alles. Tom ist gar nicht mehr sauer auf mich und meint sogar, dass er sich darauf freut, mit mir das »Equipment« einkaufen zu gehen. Er weiß auch schon, wo. Wir werden extra nach Hamburg fahren an diesem Wochenende. Tom hat zwar noch gar nicht gefragt, ob ich an diesem Wochenende was vorhabe, geht aber davon aus, dass nicht, und hat auch so was von Recht damit.
    Pitbull schreit: »Was? Ihr fahrt nach Hamburg? Nicht ohne mich! Ich werde euch den Kiez zeigen, dass euch Hören und Sehen vergeht!« Und dann entwirft er schon einen Plan für den Freitagabend. Ein Besuch in seinem heiß geliebten »Silbersack« ist natürlich Pflicht und dann müssen wir in den »Goldenen Handschuh«. Achtung, ich weiß, was jetzt kommt! Pitbull holt tief Luft. »Weißt du, Gero«, zischt er, »über dem ›Goldenen Handschuh‹ hat der Massenmörder Honka gewohnt.« Gero öffnet wieder den Mund. Pitbull kommt näher. »Honka ist immer über den Kiez gelaufen und hat sich Nutten gesucht. Die hat er dann zu Hause umgebracht. Der Dielenboden des gesamten Hauses ist quasi von Blut getränkt … « Gero schluckt. »Da müssen wir unbedingt ein Pils trinken!« Das Einzige, was mich an dieser Geschichte interessiert, ist,
wie
Honka die Nutten umgebracht hat, aber zu diesem wichtigsten Detail kann Pitbull keine Auskunft geben. Vielleicht kann es mir ja einer der Gäste im »Goldenen Handschuh« am Freitag oder Samstag zu fortgeschrittener Stunde erzählen. Am Ende des Abends steht fest, dass neben Pitbull auch noch Gero und Richard mit nach Hamburg kommen und Iris, die Pitbull zwischendurch anruft, plus Domina-Freundin Ruth. Letzteres finde ich sogar richtig gut, denn die weiß wenigstens, welche Sachen man wirklich braucht. Pitbull bezeichnet unsere Fahrt nach Hamburg als Familienausflug. Wenn ich mich so umschaue und die ganzen Chaoten betrachte, sehe ich es beinahe genau so. Das kann ja heiter werden.
     
    Am nächsten Morgen rufe ich bei »NewStyle« an und frage, wann Herr Waldenhagen den letzten Synchronisationstermin hat. Die nette Frau Ihlenfeldt sagt, der arme Herr Waldenhagen habe aber gar nicht gut ausgesehen vorgestern. Richtig blass um die Nase. So, als

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