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Fremd küssen. Roman

Fremd küssen. Roman

Titel: Fremd küssen. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steffi von Wolff
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war ich in einer heiratsantragähnlichen Situation: Mein Exfreund (hab den Namen verdrängt) befand sich kurz nach unserem Kennenlernen mit mir zusammen in einer Autowaschanlage, und während wir draußen warteten und der Lärm ganz fürchterlich war, fragte er mich: »Würdest du mich mal heiraten?«
    Ich war so überwältigt ob dieser Äußerung, dass ich wie ein Stehaufmännchen um ihn herumsprang und schrie: »Aber ja, aber ja«, während ich mir schon vorstellte, wie wir gemeinsam beim größten Kaufhaus in der Gegend einen Hochzeitstisch bestücken und ich somit endlich zu meinem heiß geliebten 48 -teiligen Mariposa-Essservice von Villeroy & Boch kommen würde. Er war zugegebenermaßen etwas verwirrt und wich erschreckt einige Schritte zurück, weil ich ihn, trunken vor Glück, umarmen und küssen wollte, während ich schrie: »So was hat mich noch nie jemand gefragt!«
    Eine Minute später stellte sich heraus, dass ich alles falsch verstanden hatte. Ich hatte wegen des Lärms das Wort »einladen« als »heiraten« verstanden.
     
    Er trennte sich kurz danach von mir und gab als Grund an, ich würde ihn zu sehr in seiner Freiheit einengen. Aber die Zeit hat eindeutig für mich gespielt. Ich musste kürzlich sehr lachen, als ich in der Zeitung las, dass er und seine Frau Imken mittlerweile das fünfte Kind bekommen haben. Jetzt weiß ich auch wieder den Namen: Er hieß Olaf. Kein Wunder, dass ich den Namen vergessen wollte. Und mit einer Frau, die Imken heißt, ist ja wohl auch kein Staat zu machen. Bestimmt leben sie in einem Solarenergiehaus und bauen ihr Gemüse selbst an, makrobiotisch, und die Kinder gehen auf die Waldorfschule, bewerfen sich gegenseitig mit Erdklumpen und tanzen ihren Namen, nachdem sie vom Aggressionsabbauschreikurs aus dem Unterholz wiedergekommen sind. Imken ist eine Frau, die niemals die Ruhe verliert, auch nicht, wenn alle Kinder gleichzeitig Masern, Windpocken und Mumps haben und sie acht Monate am Stück nicht mehr geschlafen hat. Nein! Das bringt eine Imken nicht aus der Fassung. Sie wird treppauf, treppab hetzen, Kamillentee kochen und ihre Erfüllung darin sehen, abends »Jane Eyre« von Charlotte Brontë zu lesen. Ich für meinen Teil bin schon überfordert, wenn ich abends nach der Arbeit noch Blumen gießen muss.
     
    Ich seufze leise vor mich hin. Ich werde eben nie heiraten. Heiraten ist eh doof. Kostet nur Geld und man lässt sich sowieso irgendwann wieder scheiden. Außerdem ist die Vorstellung, mit jemanden wie Olaf verheiratet zu sein oder Sex zu haben, grauenhaft. Eher würde ich meine Vagina einem Basstölpelpärchen zum Nestbau anbieten.
     
    Gero zappt von einem Kanal zum nächsten herum und wir bleiben schließlich bei der Wiederholung von der »Harald-Schmidt-Show« hängen. Ich finde es immer wieder unglaublich, wie dieser Mensch seine Gäste niedermacht. So was wird mir natürlich nicht passieren, wenn ich, eine berühmte Swingerclubbesitzerin mit florierendem Etablissement, neben Harald auf einem Stuhl sitzen werde. Schlagfertig werde ich antworten und die Lacher des Publikums immer auf meiner Seite haben. Es wird dann so enden, dass Harald aufsteht, sich vor mir verbeugt und sagt: »Ich bin erledigt. Würdest du bitte meine Nachfolge antreten?« Ich werde nicht gleich ja sagen, sondern, weil ich meinen Marktwert testen will, zum Publikum schauen und fragen: »Sollichdasmachen?« Die Zuschauer werden aufspringen, Fahnen schwenken, auf denen mein Name steht, und brüllen: »Ja! Ja! Ja!« Harald wird gedemütigt das Fernsehstudio verlassen und vor lauter Kummer drogenabhängig werden, während ich die Millionen nur so scheffele!
    (Um ganz ehrlich zu sein, ich übertreibe gerade ein wenig. Eigentlich wird es so ablaufen: Beim Hereinlaufen ins Studio werde ich mir vor laufenden Kameras einen Absatz abbrechen, im Gesicht glänzen wie eine Speckschwarte und auf Haralds Fragen dümmlich kichernd mit »weiß nicht«, »weiß nicht«, oder »weiß nicht« antworten. Die Zuschauer werden mich ausbuhen, meine Freunde mich nicht mehr kennen, und am nächsten Tag wird auf der letzten Seite der Bildzeitung stehen: »Carolin Schatz – peinlicher geht’s nicht.« Ich werde dann nach Neufundland auswandern oder nach Alaska und so vereinsamen, dass meine einzige Unterhaltung darin besteht, gemeinsam mit Lachsen im Eis zu tauchen. Abends werde ich mir auf einem Propangaskocher eine Buchstabennudelsuppe kochen müssen, um wenigstens etwas zum Lesen zu haben. Ja, so wird das

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