Fremd küssen. Roman
und Strampler mit Bärchen drauf, die sich die Hand schütteln. Es ist nicht zu glauben, aber es gibt sogar Flaschenwärmer in dieser Abteilung und Laufställchen, die die Ausmaße einer Pferdekoppel haben. Schon irgendwie peinlich.
Weiter hinten gibt es ein ganzes Regal voll mit Nippelklemmen. Aber was für welche! Ich verspüre ein leichtes Ziehen in der rechten Brust, als ich ein acht Kilo schweres Set in der Hand halte, an dem die Klemmen vorne noch mit extra scharfen Zacken bestückt wurden. Und ganz besonders gemein: Je mehr Gewicht man an die Klemmen dranhängt, desto mehr ziehen sie sich zu. Aber es hängen doch schon an jeder Klemme vier Kilo, wer braucht denn da NOCH mehr? Tom packt ein wie ein Wahnsinniger. Und Ruth hat glänzende Augen. »Hier, schaut mal«, ruft sie. »So was braucht ihr auch. Für Ponydressurspiele!« Sie steht vor einer Schaufensterpuppe, die ein Zaumzeug trägt. Auf dem Kopf befindet sich eine Federboa. Ich habe so was mal im Zirkus gesehen. Nette Lipizzaner liefen im Kreis und ein Mensch stand in der Mitte und trieb sie mit der Peitsche voran. War das auch schon Sadomasochismus? War ich vielleicht als Kind schon auf einer SM -Veranstaltung und habe es nicht gewusst?
Die Schaufensterpuppe hat sogar ein Stangengebiss im Mund, daran befinden sich Zügel, und um ihren Körper hat der Dekorateur ein Zuggeschirr befestigt. Hinter ihr steht ein Sulky, an dem das Geschirr festgemacht wurde. Im Sulky selbst sitzt eine in schwarzes Leder gekleidete männliche Schaufensterpuppe und grinst böse, während sie eine lange Peitsche schwingt, an der sich vorne Metallteile befinden. Ist ja alles schön und gut. Aber wo bitte soll man einen solchen Fetischismus praktizieren? Im Kurpark von Watzelborn? Mama und Papa gehen mit Timo und Lisa sonntags gemütlich spazieren, und plötzlich kommt eine Frau in einem Pferdegeschirr vorbeigelaufen, die ein Sulky zieht. Ich bin mir nicht sicher, ob das so gut ist.
Ich traue meinen Augen nicht, als ich an der Schaufensterpuppe herunterschaue. Sie trägt keine Schuhe, sondern Stiefel, die nicht mit einem Absatz enden, sondern mit einem Pferdehuf! Grundgütiger, wo bin ich hier gelandet? Ich frage mich nur, wer 4000 Euro für so was ausgibt?
Offensichtlich wir, denn Tom und Ruth verhandeln schon mit dem Mann an der Kasse. Im Eingangsbereich türmen sich bereits die Sachen, die die beiden kaufen wollen. Unter anderem zwölf Gasmasken, ca. 20 verschiedene Peitschen und Paddel und weiß der Geier was sonst noch alles. Und die haben doch tatsächlich Strampelanzüge dazugelegt.
»Sagt mal, muss das sein?«, frage ich ziemlich irritiert. »Ich wollte eigentlich keine Kindertagesstätte aufmachen!«
»Hör mal«, sagt Ruth. »Wir haben lange und breit darüber gesprochen. Für jeden Fetischisten muss was dabei sein. So erhält man sich die Stammkundschaft.«
»Mir ist das peinlich«, erwidere ich. »Stellt euch vor, die laufen dann mit einem Schnuller herum, rufen Mama und nuscheln ›’ch will ’n Gin Tonic bitte!‹«
»Dann lass sie doch«, sagt Ruth bestimmt. »Besser, man kann seine Gelüste offen ausleben, anstatt sie zu unterdrücken. Von dieser Seite aus musst du das mal sehen. Es ist ja auch so was wie eine therapeutische Maßnahme. Die Leute werden froh sein, endlich mal das zu tun, wovon sie schon jahrelang geträumt haben. Das spart dem Staat viel Geld für eine Langzeittherapie! Oder?«, fragt sie den Mann an der Kasse. Der nickt eifrig. Bestimmt kriegt er pro verkauftem Teil hier zehn Prozent Provision.
Ich denke an Herrn Kamlade wie Schublade. Na gut. »Ich möchte aber auch normale Sachen haben«, nörgle ich. »Es kommen schließlich nicht nur Fetischliebhaber, sondern auch Menschen, die einfach nur Sex haben wollen und nicht darauf stehen, vor eine Kutsche gespannt zu werden oder sich Gewichte an die Brustwarzen hängen zu lassen. Was ist das da überhaupt?« Ich deute auf ein undefinierbares Plastikteil mit Schlauch und Beutel, das neben einer Dressurgerte auf dem Boden liegt.
»Na, ein Katheter, was denn sonst«, sagt Ruth.
»Ach, spielen wir auch Urologe?« Ich werde zynisch. »Wir nicht«, antwortet Ruth mir arrogant. »Aber der eine oder andere Gast bestimmt. Man nennt das Natursektspiele. Man kann natürlich auch ohne … «
»Das reicht, danke!«, sage ich und halte mir die Ohren zu. Ruth grinst. Ich komme mir irgendwie vor, als hätte ich keine Ahnung von sexuellen Spielarten. Ich hätte besser Nonne werden sollen.
»Ach
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