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Fremde am Meer

Fremde am Meer

Titel: Fremde am Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L Olsson
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er die Geschichte interpretierte. Ob darin etwas aus seinem eigenen Leben anklang.
    Die Wochen verstrichen. Zwei Monate. Von Lola hörte ich nichts. Ich hatte keine Ahnung, wo sie war, wusste aber, dass in dem Haus neue Mieter wohnten. Ika erkundigte sich nie nach ihr. Wir hatten wohl beide unsere Gründe dafür, die Situation nicht zu erörtern. Und irgendwann begann ich zu glauben, dass sie uns ganz in Ruhe lassen würde.
    In der Schule schien Ika besser klarzukommen. Jedes Mal, wenn ich mit der Lehrerin sprach, klang sie freundlicher, wärmer. Er zeigte keine besondere Begeisterung für den Unterricht und redete immer noch nicht von sich aus darüber, und seine Antworten auf meine Fragen blieben einsilbig. Aber ich hatte das Gefühl, dass es glatter lief, sich zumindest stabilisierte. Zu Hause war es dasselbe. Meinem Eindruck nach war Ika ebenso zufrieden wie ich. In manchen Momenten überkam mich sogar etwas, das man fast Glücksempfinden nennen konnte. Es war, als wüchsen wir allmählich zu einer ungewöhnlichen kleinen Familie zusammen.
    Unser Projekt machte Fortschritte. Ich fand es immer noch schwierig, mir vorzustellen, was wir da eigentlich schufen, aber auf irgendeine Art und Weise lernte ich, mit Ikas Augen zu sehen. Ich hatte ein intuitives Verständnis für die Idee in seinem Kopf entwickelt, und meine Fähigkeit, die Stücke richtig zu platzieren, schien sich Tag für Tag zu verbessern. Es war, als würde ich unsere Installation eher erfühlen, als sie mir bildlich vorzustellen.
    Ich war fast mein Leben lang für niemanden verantwortlich gewesen als für mich selbst, hatte nie schlaflose Nächte aus Sorge um einen geliebten Menschen verbracht. Nie einen speziellen Anruf befürchtet. Deshalb erschreckte mich das schrille Klingeln des Telefons mitten in der Nacht auch nicht. Ich war höchstens ein wenig verärgert, da ich annahm, es handele sich um einen Irrtum. Eine falsch gewählte Nummer.
    Doch es war Lola.
    Es dauerte eine Weile, bis ich ihre Stimme erkannte. Ich hielt den Apparat an mein Ohr gedrückt, während ich bemüht war, mich aus dem Gewirr der Laken zu befreien und aufzurichten.
    »Ich brauche ihn wieder«, sagte sie ohne Einleitung.
    Ich erstarrte. Mein ganzer Körper wurde sofort kalt und steif, und ich rang nach Luft.
    »Wieso?«, brachte ich schließlich heraus.
    »Es ist eben so«, sagte sie.
    »Aber …«, setzte ich an.
    Sie unterbrach mich. Sagte, er müsse zu ihr zurück. Das Jugendamt habe sich bei ihr nach seinem Aufenthaltsort erkundigt. Sie laufe Gefahr, das Kindergeld einzubüßen. Ich fragte, wo sie sei, doch das beantwortete sie nicht. Sie wiederholte nur, sie brauche Ika zurück, und zwar schon am nächsten Tag.
    »Nein«, flüsterte ich. »Tun Sie ihm das nicht an. Er hat sich gerade hier eingewöhnt. Er macht Fortschritte in der Schule. Bitte, Lola, nein. Es muss eine andere Lösung geben.«
    Aber sie blieb hart, und nichts, was ich sagte, schien zu ihr durchzudringen. Sie würde morgen kommen und ihn abholen. Und damit legte sie auf.
    Wie betäubt saß ich mit dem Telefon in der Hand da.
    Ich versuchte, sie auf dem Handy zu erreichen, doch es hieß, das sei nicht mehr in Betrieb.
    Wahrscheinlich hätte ich damit rechnen müssen, dass so etwas passieren würde. Wir hatten nie formelle Vereinbarungen getroffen. Ich hatte zugelassen, dass nicht nur ich, sondern auch Ika ein falsches Gefühl der Sicherheit entwickelte, und so war es uns von Tag zu Tag leichter gefallen zu glauben, unser Arrangement sei ein dauerhaftes.
    Ich starrte in die Dunkelheit.
    Dann hörte ich das Klavier. Ika spielte. Ich erkannte die Musik nicht. Sie klang anders als alles, was ich bisher von ihm gehört hatte. Es war eine einfache Melodie, und er spielte langsam. Sehr langsam, aber voller Ausdruck und Intensität. Es tat weh zuzuhören. Und doch saß ich da und lauschte. Ich weinte nicht, aber mich erfüllte ein Gefühl schrecklicher Hilflosigkeit und Verzweiflung darüber, den Gang der Ereignisse nicht beeinflussen zu können. Und dieses Gefühl in seiner Stärke war mir nur allzu vertraut.
    Als das Klavier verstummte, wurde das Haus von einer unheimlichen Stille in Besitz genommen, als würde niemand mehr darin leben.
    Ich ging ins Wohnzimmer.
    Ika saß noch am Klavier. Der Raum lag im Dunkeln, und im blassen Mondlicht, das durch das Fenster hinter ihm ins Zimmer fiel, konnte ich nur seinen Umriss sehen. Ich trat zu ihm und setzte mich neben ihn auf den Hocker. Er bewegte sich nicht, und einen

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